Foto: Thaler Verlag

Unlängst in Grönland: Die Moschusochsen laufen weg und von Eisbären keine Spur. Der von Tierfilmen und der Anschauung aus nächster Nähe im Zoo verwöhnte Tourist ist in freier Wildbahn oft enttäuscht, weil die Fauna nicht ruhig halten will - oder sich erst gar nicht blicken lässt.

Abhilfe schaffen können da z.B. opulente Bildbände aus dem Tierleben, die wunderschön aufbereit illustrieren, was man selbst vor Ort nur erahnen konnte. Ein besonders gelungenes Beispiel dafür ist das eben auf Deutsch erschienene Buch "Was Tiere fühlen" von Karine Lou Matignon. Darin wird professionelle Tierfotografie mit der Frage verbunden, ob und welche Emotionen Tiere haben.

In sechs reich bebilderten Kapiteln geht die französische Autorin auf die Bereiche Lust und Liebe, Mutter und Kind, Glückserfahrungen, Moral, Rache und Leid im Tierreich ein. So erfährt man, dass animalischem Sex bei den Pavianen durchaus ein heißer Flirt vorausgeht, der sich in einer auch freundschaftlichen Beziehung über Jahre fortsetzt.

Die gerade heute in gesellschaftlichen Diskursen oftmals beschworene Mutterliebe könne auch bei einer Kuh beobachtet werden, die, von ihrem Kälbchen durch Verkauf getrennt, ausbricht und über eine Distanz von vielen Kilometern zurückkehrt, um den Nachwuchs zu säugen.

Dass Spielen, Lachen und Spaß nicht das Vorrecht der menschlichen Spezies sind, zeigen auf zugefrorenen Pfützen schlitternde Raben und Schneebälle formende Makaken. Der Überschwang und das Vergnügen, die die Tiere zeigen, unterscheide sich aber doch von jenen des Menschen: "Wir teilen mit den Tieren grundlegende Emotionen. . .", wird der französische Ethnologe und Psychiater Boris Cyrulnik zitiert, aber "sie werden nicht auf dieselbe Weise ausgelöst". So könne sich ein Mensch an einem Bild von Picasso erfreuen, weil seine Empfindung von einer kulturellen Vorstellung ausgelöst werde. Ein Pferd hingegen zeige wenig Interesse an dem großen Meister.

Die Kombination dieser und anderer Fragen der Verhaltensforschung und Moralphilosophie mit den sorgsam ausgewählten Bildern macht aus dem Band ein eindrucksvolles Plädoyer für die Vielfalt des Lebendigen. (Tanja Paar/Der Standard/rondo/19/05/2006)