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Stefano Gizzi, christdemokratischer Gemeinderat von Ceccano bei Rom, zeigt, was er von Dan Browns Roman hält. Das darin dämonisierte Opus Dei versucht unterdessen, das öffentliche Interesse für eine Imagekorrektur zu nutzen.

Foto: AP/Luca

STANDARD: Herr Bischof, haben Sie das Buch "Sakrileg" ("Da Vinci Code") gelesen?

Küng: Nein, Ich habe mich unfreiwilligerweise damit befasst, aber ich bin wählerisch in meiner Lektüre.

STANDARD: Dennoch sind Buch und Film immense Erfolge. Wie geht die Kirche damit um? Wie würden Sie einem jungen Menschen erklären, warum Jesus nicht verheiratet sein konnte?

Küng: Ich würde ihm sagen, dass Gott seinen Sohn in die Welt gesandt hat, als die Zeit dafür reif war. Ich würde dem auch sagen, mich wundert, dass Du jemandem glaubst, der gegen alle Beweise der Schrift und der Geschichte so etwas behauptet. Die vier Evangelien gehören ja zu den am meisten bezeugten und wissenschaftlich belegten Schriften. Schon im 2. Jahrhundert betrachtete man die gleichen Schriften wie jetzt zur Heiligen Schrift gehörig und in ihnen ist bezeugt, was der Glaube der Kirche von Anfang an war. Dass Christus der Sohn Mariens ist und der Sohn Gottes, der sein Leben hingegeben hat.

STANDARD: Das führt also hin zu dem Argument, Jesus konnte nicht verheiratet sein, weil er der Sohn Gottes war.

Küng: Nein, das kann man so nicht sagen. Letztlich gehört es zum Geheimnis seiner Person – dieses Nichtheiraten um des Himmelreiches willen, das er nicht für die Allgemeinheit, sondern für einige verkündet hat.

STANDARD: Kommen wir zum Opus Dei. Sie sind Mitglied dieser innerkirchlichen Vereinigung, die im "Sakrileg" als Mördersekte geschildert wird.

Küng: Das Opus Dei lehrt, in den gewöhnlichen Umständen dieser unserer Welt eine Nachfolge Christi zu verwirklichen. Ich habe durch das Opus Dei gelernt, den Ruf Gottes wahrzunehmen, und zwar in einer Situation von heute. Der Gründer des Opus Dei hat schon vorbereitet, was im II. Vatikanum über die Laien verkündet wurde: die Kirche sind nicht nur die Bischöfe und die Priester, sondern alle Getauften.

STANDARD: Der Grundgedanke des Opus Dei ist, eine gläubige Elite in die Machtpositionen der Welt hineinzuschicken.

Küng: Das ist eine falsche Vorstellung. Das Opus Dei zeigt einen Weg für Frauen und Männern aus allen Schichten, eine Nachfolge Christi anzutreten. Das Opus Dei begegnet dem Missverständnis, dass eine(r), wenn sie (er) den Glauben ernst nimmt, in ein Kloster eintreten oder Priester werden müsse. Der Gründer des Opus Dei hat von Anfang an gesagt: Bedenke, dass Du, dort wo Du bist, in Deinem Beruf, in Deiner Familie Christus nachfolgst.

STANDARD: Dennoch ist das Opus Dei eine ziemlich harte Sache. Der Gründer José Maria Escrivá sagte: "Der Leib ist Dein Feind und der Feind der Verherrlichung Gottes."

Küng: Ich habe viele Jahre in seiner Umgebung gelebt. Er war um unsere Gesundheit besorgt. Es gibt im Opus Dei keine Leibfeindlichkeit.

STANDARD: Nun, Selbstbestrafung kommt vor und ist für manche anziehend.

Küng: Nein, das ist eine falsche Vorstellung. Manche versuchen uns als Elite hinzustellen, als Neurotiker. Ich kenne viele im Opus Dei, das sind gesunde Persönlichkeiten.

STANDARD: Hier muss ich zwei lateinische Begriffe erwähnen, das Cilicium und die Disciplina, die Dornenkette und die Geißel, die kommen auch im "Sakrileg" vor.

Küng: Das ist die Methode, mit dieser Frage in eine Einseitigkeit zu führen, die nicht typisch für das Opus Dei ist. Das Opus Dei versucht eine Spiritualität zu leben, die total positiv ist. Wir scheuen nicht das Opfer, das hat auch seine Bedeutung. Das geduldige Ertragen einer lästigen Person kann manchmal ein größeres Opfer bedeuten als eine total freiwillige Buße, die an Jesus erinnert und überhaupt nicht gesundheitsschädlich ist. Aber auch das Aushalten von Kritik und Spott kann schwieriger sein. Ich sehe nicht ein, warum ich immer über dieses Thema reden soll. Nicht jede Neugierde ist immer zu befriedigen.

STANDARD: Das Opus Dei hat die Aura des Geheimnisvollen.

Küng: Das Opus Dei ist keine Geheimsache. Wir tragen kein Abzeichen. Aber wenn Sie mit jemand vom Opus Dei zu tun haben, werden Sie es bald erfahren, weil er es ihnen erzählt. Das Opus Dei ist eine Kraft, die auch die Auseinandersetzung mit dem Zeitgeist nicht scheut. All das, was nach körperlicher Buße ausschaut, stößt heute auf Unverständnis. Mir ist die eigentliche Botschaft wichtig – die Begegnung mit Gott im Alltag. Jemand, der mitten in der Welt lebt, wird, wenn er betet, versuchen, sein Leben und seine Arbeit in einen Dienst an Gott und den Menschen zu verwandeln. Die Arbeit wird zum Gebet. Escrivá hat als Quintessenz gesagt: Die Arbeit heiligen, sich durch die Arbeit heiligen, andere durch Arbeit heiligen. (DER STANDARD, Printausgabe, 24.5.2006)