Goma - Oberleutnant Christophe ist nervös. Seit Tagen verdichten sich Hinweise auf einen geplanten Angriff gegen die Stadt Nyabiondo im Osten der Demokratischen Republik Kongo, zu deren Schutz Christophe und seine Soldaten abgestellt sind. Die Bedrohung heißt "General" Laurent Nkunda, ein Warlord, der Angst und Schrecken in der Provinz Nord-Kivu verbreitet. Während die Europäische Union die kongolesischen Wahlen in der Hauptstadt Kinshasa sichern soll, sind Friedenstruppen der Vereinten Nationen und die regulären Sicherheitskräfte im unruhigen Osten besonders auf der Hut.

Aufmerksam beobachten Christophe und seine Männer jede Bewegung um Nyabiondo, misstrauisch beäugen sie alle Fremden. Journalisten, die Fragen zur Sicherheitslage vor den Ende Juli geplanten Präsidenten- und Parlamentswahlen stellen, sind keine Ausnahme. Solche Fragen seien suspekt und müssten seinem Chef gemeldet werden, erklärt ein Soldat, der das Gespräch zufällig mithört. Er zitiert die Reporter zu Oberleutnant Christophe. Dieser wird noch deutlicher: Es bestehe der Verdacht, dass die Fremden "im Auftrag des Feindes" Erkundigungen einholen wollten. Die Beteuerung, dass man lediglich Land und Leute kennen lernen wolle und angesichts des geplanten EU-Einsatzes unter Mitwirkung der deutschen Bundeswehr auch an den Wahlvorbereitungen interessiert sei, stellt ihn nur bedingt zufrieden. Er lässt die Reporter zwar ziehen, gibt ihnen aber eine strenge Warnung mit auf den Weg, sowie die Anordnung, sich am nächsten Tag wieder bei ihm zu melden.

Wenn Christophe vom "Feind" spricht, meint er aggressive Kräfte aus dem Nachbarland Ruanda, das seine Truppen bereits mehrfach über die Grenze geschickt hat und auch bis zum Hals in die wirtschaftliche Ausbeutung der an Bodenschätzen reichen Region verstrickt war. Kriegsherr Nkunda, Abkömmling ruandesischer Tutsi-Flüchtlinge, gilt als Handlanger "des Feindes". Sein Ziel: Die labile Region ins Chaos zu stürzen und die Wahlen zu torpedieren. Politisch strebt er nach mehr Rechten für die aus Ruanda stammenden Tutsi-Banyamulenge bis hin zu einer "eigenen Heimat" für seine Volksgruppe.

"Wenn Nkunda angreift, gibt es hier keine Abstimmung", sagt Polizeikommandant Kimengele Wilonga. Die Bevölkerung würde Hals über Kopf in die Wälder fliehen, die Verbindungsstraße zur Provinzhauptstadt Goma wäre gekappt. Zwar seien die Sicherheitskräfte auf einen möglichen Angriff vorbereitet, und auch die UNO-Friedenstruppe MONUC sei gewappnet, betont Wilonga. Doch die Waffen der Polizisten seien knapp, räumt er ein. Nkunda dagegen sei gut ausgerüstet. Der von der MONUC gesuchte Warlord, der eifrig Kämpfer jeden Alters rekrutiert und auch auf Sympathien aus den Reihen der alten Regierungstruppen zählen kann, hat seine Stärke bereits mehrfach unter Beweis gestellt. Erst Anfang des Jahres wütete er nördlich von Goma. Seine Miliz griff Dörfer an, brandschatzte, plünderte, mordete und vergewaltigte. Ein neuer Angriff vor den Wahlen wäre ein gefährlicher Funke im Pulverfass. Zudem stünde auch die Legitimität der Wahlen auf dem Spiel, wenn Hunderttausende am Urnengang gehindert würden.

Der Ruanda-treue Gouverneur der Provinz Nord-Kivu, Eugène Serufuli, gehört zu jenen, die um ihr Amt bangen müssen, und erhofft sich offenbar Rückendeckung aus dem Nachbarland. Er setze "auf zwei Pferde", heißt es. Einerseits könnte ihm ein Schulterschluss mit den Wahlsiegern und der Regierung in Kinshasa den Gouverneursposten sichern, andererseits behalte er seine alten Seilschaften als Faustpfand in der Hinterhand. Die International Crisis Group (ICG) sieht Serufuli als aktiven Spieler im Machtpoker. Sie hat Hinweise auf eine Unterstützung des Gouverneurs für den Warlord Nkunda.

Das Nachbarland, das in den neunziger Jahren zwei Mal mit tausenden Soldaten einmarschierte und sein blutiges Eingreifen mit der Jagd nach flüchtigen Tätern des Völkermordes von 1994 begründete, hat nach Ansicht von Beobachtern handfeste Interessen im Kongo: Das überbevölkerte Ruanda brauche Land, Brennholz, Bodenschätze. Vor den Wahlen sendet die Regierung in Kigali jedoch entspannende Signale. Der ruandesische Präsident Paul Kagame erklärte, dass er den Kongo nicht länger verdächtige, die Hutu-Völkermörder zu unterstützen. Damit entzieht er sich selbst die Rechtfertigung für eine künftige militärische Intervention. Die Angst vor Nkunda und dessen Kämpfern aber hält die Region weiter fest im Griff. Oberleutnant Christophe und seine Männer bleiben auf der Hut. Ein Sicherheitsvakuum kann sich Nyabiondo vor den Wahlen nicht leisten. (APA)