Krakau - "Radio Maryja könnte ein sehr wichtiges Evangelisierungsmedium sein, aber auch ein Mittel zur Teilung der Kirche." Diese Einschätzung des umstrittenen polnischen Senders äußerte der Präsident des "Johannes Paul II.-Zentrums", Andrzej Zoll, in Krakau zu Beginn der Polen-Visite von Papst Benedikt XVI. im Gespräch mit österreichischen Journalisten. "Ich hoffe, dass wir in Polen nach dem Besuch Benedikts XVI. eine Lösung finden."

"Strenge, harte" Schritte hinsichtlich des Radios vor der derzeit stattfindenden Visite des Papstes hätten "gefährlich" sein können, da sie den Besuch überschatten hätten können, meinte Zoll, der früher das Amt des vom polnischen Parlament eingesetzten Ombudsmanns für Bürgerrechte ausübte. Mit der Schaffung eines Programmrates seien bereits erste Schritte gesetzt worden, durch die es nun eine "innere Zensur" innerhalb des Senders gebe.

Vier Millionen ständige Zuhörer

Dass gegen das als antisemitisch kritisierte Medium bisher keine deutlicheren Maßnahmen ergriffen wurden, begründet Zoll auch mit den religiösen Inhalten von "Radio Maryja", das etwa vier Millionen ständige Zuhörer habe. Wenn es um religiös-geistliche Fragen gehe, seien die Sendungen auf einem sehr guten Niveau. "Darum unterstützen viele katholische Bischöfe dieses Radio." Die politischen "Zwischenrufe" im Programm seien jedoch ein "besonders großes Problem".

Für ihn stelle sich die Frage, ob "Radio Maryja" überhaupt als katholisch zu bezeichnen sei. "Das ist ein Radio mit vielen katholischen Inhalten, aber ich meine, das ist kein katholisches Radio", so der Präsident des Johannes Paul II.-Zentrums, das unter anderem aus einem Institut zur wissenschaftlichen Erforschung des Werkes des polnischen Papstes besteht, in Zukunft jedoch auch etwa in der Familienberatung oder im Hospizwesen aktiv werden will.

Im Vorfeld der Polen-Visite sei der für Sonntag vorgesehene Besuch Benedikts XVI. im ehemaligen NS-Konzentrationslager Auschwitz von "Radio Maryja" als Besuch eines deutschen Papstes und als Frage der Versöhnung zwischen Deutschen und Juden dargestellt worden. Dem setzten das Johannes Paul II.-Zentrum und die Oswiecim-Akademie ein "Gegengewicht" entgegen: "Wir werden dem Papst am Sonntag in Oswiecim ein Memorandum übergeben über die Auschwitz-Frage, aber auch über Oswiecim als internationales Zentrum für Menschenrechte."

Bereits vor ein paar Jahren sei ein internationaler Menschenrechts-Preis ins Leben gerufen worden, dessen Jury bekannte Persönlichkeiten wie die ehemalige irische Präsidentin und spätere UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte Mary Robinson, Erzbischof Desmond Tutu, Friedensnobelpreisträger 1984, oder der ungarische Literaturnobelpreisträger von 2002 Imre Kertesz angehören. Die Auszeichnung sei im Vorjahr erstmals unter anderem an den katholischen Publizisten Stefan Wilkanowicz vergeben worden. "Und ich habe einen Brief an den Papst geschrieben, mit der Bitte, die Schirmherrschaft zu übernehmen", so Zoll. Nach zwei Wochen sei eine Antwort gekommen - mit einer Einladung in den Vatikan. Das Kirchenoberhaupt selbst habe dann den Preis verliehen. "Das war schon ein Signal für uns, dass Papst Benedikt XVI. die Frage von Oswiecim sehr gut versteht."

Die begriffliche Unterscheidung soll klar voneinander zu trennende Inhalte verdeutlichen: "Auschwitz-Birkenau, das ist ein Konzentrationslager. Diese Stadt heißt Oswiecim, und wir möchten diesen Namen auch im Ausland benützen. Oswiecim hat seine 700 Jahre Geschichte, das ist eine Stadt, wo viele junge Menschen leben. Die müssen eine Zukunft haben, und sie müssen auch positive Punkte haben, sie können nicht auf dem Friedhof leben. Darum benutzen wir diese zwei Namen." Im Rahmen seines Polen-Aufenthaltes werde der Papst Auschwitz, jedoch auch das "Dialog- und Gebetszentrum" in Oswiecim besuchen.

Benedikt XVI. sei in Polen von Anfang an anerkannt worden. "Das war für mich eine große Überraschung. Ich habe Angst gehabt, dass er abgelehnt wird, besonders auch als Deutscher, und das war ganz umgekehrt." Papst Benedikt könnte bei seinem Polen-Besuch inhaltlich sogar mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden als seinem Vorgänger, meinte Zoll. Johannes Paul II. sei als Pole angenommen worden. "Jetzt werden die Leute Übersetzungen hören und mehr auf Inhalte aufmerksam gemacht." (APA)