"[...] Menschen [sind] zum Zeitpunkt ihrer Eheschließung im Allgemeinen wenig informiert über ihre Rechte und Pflichten als Ehepartner oder über ihre Verpflichtungen hinsichtlich ihrer Kinder," so die Sozialministerin in Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage zum "Hochzeitsbuch."

Das geortete Informationsdefizit soll um wohlfeile € 166.481,- behoben werden. Diese "Sammlung wertvoller Tipps und schöner Erwartungen" vermittelt allerdings ein idealisiertes Familienbild sowie ein äußerst traditionelles Verständnis von Geschlechterrollen. Brennende gesellschaftliche Fragen wie Armut oder Gewalt in Beziehungen werden nicht oder nur als individuelles Problem Einzelner thematisiert.

Beispiele gefällig? Wir zitieren aus relevanten Stellen, wobei einige Fragen des Beziehungs- und Partnerschaftstests, der am Ende des 200-Hochglanzseiten-Ratgebers steht, hier gleich miteinbezogen sind. Ganz im Sinne von "drum prüfe, wer sich ewig bindet."

Frage: Kinder sind die Krönung einer glücklichen Beziehung

"Glückliche Familien," so die Ministerin in ihrem Vorwort, sind "auch im Interesse des Gemeinwohls." In logischer Konsequenz ist die am positivsten konnotierte Kategorie des Partnerschaftstests daher nicht einfach ein beziehungsfähiger Mensch, sondern ein "beziehungsfähiger Familienmensch." Die heterosexuelle Kernfamilie – mit ehelichen Kindern – wird als die Manifestation von Glück postuliert. Kinder sind demnach die Verwirklichung einer "göttlichen Berufung."

Lebensgemeinschaften zählen zwar zu den "sozial akzeptierten Lebensformen," können aber, so die implizite Botschaft, nicht „eheliche Erfüllung“ bieten. Differenzierte, an gesellschaftspolitischen Tatsachen orientierte Beziehungs- und Familienmodelle sind dem Hochzeitsbuch offensichtlich nicht zugrunde gelegen.

Frage: Wenn ich nicht selbst entscheiden kann, werde ich wütend

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird im Hochzeitsbuch auf einer (!) Seite abgehandelt. Das "neue" Rollenverständnis wird als eine "Machtergreifung" von Frauen dargestellt, die Männer dazu zwingt "da und dort liebgewordene Gewohnheiten" aufzugeben.

Für die Kinderbetreuung sollen auch die Schwiegereltern herangezogen werden. Dennoch sollen Schwiegerkinder akzeptieren, dass Schwiegereltern "trotz Pensionierung ein Eigenleben haben und nicht immer da sein können." Falls diese Beteiligung am Familienleben nicht gewünscht ist, müssen die Schwiegerkinder für "eine andere Beschäftigung (z.B. ehrenamtliche Betätigungen) sorgen."

Frage: Vor meiner jetzigen Beziehung habe ich ausreichend sexuelle Erfahrungen gesammelt

Unter dem Titel "Prinzessin für einen Tag" werden die Vorzüge von Reizwäsche wie folgt gepriesen: "Raffinesse und verführerische Bedecktheit, Betonung der Vorzüge bis zur Formvollendung .. Er darf sich freuen." Worauf sie sich freuen darf, bleibt offen. An anderer Stelle wird jedoch deutlich darauf hingewiesen, dass Freude mit Verzicht einhergeht: denn Freude auf das Kind, wird postuliert, gäbe auch "die Kraft zum Verzicht". Wer hier konkret worauf verzichten soll, bleibt unausgesprochen.

Frage: Meine Eifersucht ist oft derart intensiv, dass ich sie nicht mehr kontrollieren kann

"Gewalt in der Ehe" wird in rosa Pastelltönen als geschlechtsneutrale „Schande“ präsentiert, die Männer und Frauen gleichermaßen betreffen kann. Gewalt in der Kindererziehung wird hingegen unmissverständlich als rechtswidrig bezeichnet. Was jedoch nicht verhindert, dass im Rahmen des Partnerschaftstests die Ohrfeige dem ‚klassischen Vertreter der traditionellen Familie’ zugeordnet und lediglich als nicht erstrebenswert dargestellt wird.

Frage: Ich bin gewöhnt zu bekommen, was ich mir wünsche

Die Eltern der Braut sind für die Kosten der Hochzeit nicht mehr allein verantwortlich – und zwar deshalb, weil sie ja bereits die Ausbildung der Tochter finanziert haben. Die Entlohnung dieser Ausbildung wird in einem Beispiel praxisnah dargestellt: der Ehemann trägt demnach das Doppelte zum Familienbudget bei. Ein Faktor bleibt gänzlich ausgespart: die – laut Sozialbericht bei 18 Prozent liegende – Armutsgefährdung von Alleinerzieherinnen.

Frage: Häufig brauche ich Alkohol für mein Wohlbefinden

Der Bräutigam, an einer Stelle als "James Dean" bezeichnet, kocht übrigens für seine "Prinzessin" mit Töpfen, "die schon immer eine wichtige Rolle für die Menschheit" spielten und sinniert "ob sie eher bei Fischstäbchen oder bei Marillenknödel auftaut."

Das unter der Oberfläche einer Gleichstellungsrhetorik vermittelte Rollenbild ist daher die logische Fortsetzung einer Politik, die seit dem Jahr 2000 – wie auch im EU-Forschungsprojekt MAGEEQ festgestellt – die Familie als normative Priorität darstellt. Demnach habe frau die Wahl zwischen Beruf und Familie, wobei klar mitschwingt, das Familie die "richtige" Wahl ist, laut Hochzeitsbuch: Glück pur. Schöne Erwartungen?