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Wirtschaftsminister Martin Bartenstein verteidigt den Kompromiss: "Wer Schutz will, muss auch eine gewisse Bürokratie in Kauf nehmen."

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STANDARD : Wie tragfähig und effizient ist die von den Wettbewerbsministern beschlossene Dienstleistungsrichtlinie nach den vielen Änderungen und Anpassungen?

Bartenstein: Die Dienstleistungsrichtlinie ist jetzt ein guter Kompromiss aus dem Bemühen, den Dienstleistungssektor in Fahrt zu bringen und Sicherheit vor Lohn- und Sozialdumping zu garantieren. Der Rat und auch das Parlament haben dieser Lösung gegenüber liberaleren Varianten wie der ursprünglichen Bolkestein-Richtlinie den Vorzug gegeben. Die Entscheidung ist außerdem auch ein Zeichen der Demut gegenüber dem EU-Parlament, da sie sehr nahe am Parlamentsentwurf liegt.

STANDARD: Aber beispielsweise in Österreich hätte die Gefahr von Lohn- und Sozialdumping auch bei einer liberaleren Lösung kaum bestanden, da die Entlohnung nach der Entsenderichtlinie heimische Mindestlöhne vorschreibt.

Bartenstein: Für Österreich stimmt das, weil wir die Entsenderichtlinie komplett umgesetzt haben. Deutschland aber wäre stark betroffen gewesen. Dazu kam, dass die gesamte Materie durch die zeitliche Nähe zu der Verfassungsdiskussion zusätzliche Symbolkraft bekommen hat, die Themen haben sich aufgeschaukelt. Die Diskussion drehte sich nicht um die Marktöffnung, sondern war von Ängsten geprägt. Eine liberalere Lösung hätte auch als größere Entfernung zu den Bürgern ausgelegt werden können.

STANDARD: ÖGB und AK kritisieren, dass es keine Sanktionen gegen Unternehmer gebe, die Sozialvorschriften verletzten. Sie bezeichnen das Meldesystem als zusätzliche Bürokratie.

Bartenstein: Wer Schutz will, muss auch eine gewisse Bürokratie in Kauf nehmen. Zu ÖGB und Arbeiterkammer: Das ist Kritik um der Kritik willen. Auf europäischer Ebene gibt es Lob von Gewerkschaften und Sozialdemokratie. (mimo, DER STANDARD, Printausgabe 31.5.2006)