STANDARD: Die USA haben sich zu direkten Gesprächen mit dem Iran bereit erklärt. Vertreter Teherans, wie Außenminister Manuchehr Mottaki, lehnen ab. Ist dies das letzte Wort?
Fragner: Auf lange Sicht gesehen gibt es keine letzten Wörter. Mottaki hat mehrmals angedeutet, dass er gerne mit den USA verhandeln würde. Nur er betont immer wieder: auf gleicher Augenhöhe. Das ist ein Begriff, mit dem man in der iranischen Öffentlichkeit punkten kann.
STANDARD: Was wird im Iran unter gleicher Augenhöhe verstanden?
Fragner: Genau darüber wird gestritten. Da gibt es keinen Konsens. Mottaki wird vieles daran setzen, um mit den USA ins Gespräch zu kommen. Andere Kräfte sehen darin eine Gefahr. Innenpolitisch kann man sich mit dem Wachsamkeitsruf sehr gut profilieren: ,Lassen wir uns nicht mit den Amerikanern ein, wir haben bisher immer nur Böses gesehen, wenn sie hier waren.'
STANDARD: Wie genau verlaufen die Bruchlinien innerhalb der Führung?
Fragner: In dieser Frage stehen die innenpolitischen Probleme im Zentrum - und die ändern sich permanent. Es geht um Machtgewinnung und Machterhaltung. Die Atomdiskussion ist dem unterworfen. Im Iran sind die politischen Entscheidungsträger abhängig von Aspekten des Bürgerwillens - sie müssen ihn gewinnen. Mit der Atomfrage konnte das Regime Punkte machen. Die Punkte laufen entlang der Argumentation: ,Wenn andere das dürfen, warum dürfen wir das nicht. Wir Iraner haben exzellente Wissenschafter - warum soll unsere Nation das wissenschaftliche Potenzial nicht nutzen.'
STANDARD: Es geht also um den nationalen Stolz.
Fragner: Ja. Und ich weiß nicht, warum es so schwer ist, der Welt beizubringen, dass die Leute dort ihre außenpolitischen Probleme dem unterordnen. Für Iran ist die Anerkennung der eigenen Leistungen das Wichtigste. Einem Regime, dem es gelingt, weltweite Wertschätzung iranischer Leistungen und kultureller Fähigkeiten durchzusetzen, würde sich sehr beliebt machen.
STANDARD: Ist das die Orgel, auf der Präsident Mahmud Ahmadi-Nejad spielt?
Fragner: Er ist der beste der Orgelspieler. Er trägt dem wachsenden iranischen Nationalismus Rechnung. Es ist nicht die Begeisterung für Islamisches, sondern für Nationales.
STANDARD: Ist für Teheran ein Einlenken im Atomstreit dann überhaupt möglich?