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Josef Hickersberger wird Spiele aus nächster Nähe betrachten.

Foto:AP/Zak
Wien - Wenn auch Österreichs Fußball-Teamspieler die Weltmeisterschaft nur vor dem TV-Gerät mitverfolgen dürfen, so ist zumindest der ÖFB-Trainerstab bei der Endrunde in Deutschland im Einsatz. Teamchef Josef Hickersberger und seine Mitarbeiter Peter Persidis, Andi Herzog und Willi Ruttensteiner sitzen bei 36 WM-Partien mit europäischer Beteiligung im Stadion, um Erkenntnisse im Hinblick auf die EURO 2008 zu gewinnen. "Hicke" selbst wird neun Partien live mitverfolgen, darunter die Eröffnungspartie Deutschland - Costa Rica sowie Tschechien - Italien und das Achtelfinal-Match in München.

Frage: Wie laufen die Spielbeobachtungen ab?
Hickersberger: "Jedes Spiel wird aufgezeichnet und nach der WM analysiert und archiviert. Ergänzt wird das Ganze mit unseren persönlichen Eindrücken, weil sich die Kameras in erster Linie mit den Geschehnissen rund um den Ball befassen. Uns interessiert aber auch das Verhalten jener Formationen, die nicht auf Ballhöhe sind."

Frage: In welcher Weise wird das "Spionage-Unternehmen" nach der WM fortgesetzt?
Hickersberger: "Wir werden im Laufe der EM-Qualifikation jene Gegner im Stadion beobachten, von denen wir ziemlich sicher annehmen, dass sie sich für die EURO 2008 qualifizieren."

Frage: Erwarten Sie sich von der WM neue Erkenntnisse im taktischen Bereich?
Hickersberger: "Es wird keine revolutionären Neuerungen geben, das ist im Fußball meiner Meinung nach nicht mehr möglich. Ich glaube aber, dass die Räume enger werden. Es kann durchaus sein, das durch die gute Organisation der Mannschaften wenig Chancen zugelassen werden und wir dadurch weniger Tore als bei früheren Weltmeisterschaften sehen."

Frage: Halten sie ähnliche Überraschungen wie bei der WM 2002 und bei der EM 2004 für möglich?
Hickersberger: "Es wird meiner Meinung nach wenig Überraschungen geben, auch weil die Superstars durch die Schutzsperre der FIFA ausgeruht zur WM kommen. Generell ist eine Sensation eher bei einer EM möglich. Eine WM dauert länger, außerdem ist die Konkurrenz zu stark, daher glaube ich, dass eine große Nation Weltmeister wird."

Frage: Werden Teams aus Asien und Afrika eine ähnlich starke Rolle spielen wie bei der WM 2002?
Hickersberger: "Das glaube ich nicht. Meiner Meinung nach werden die alten Kräfteverhältnisse mit den europäischen Teams sowie Brasilien und Argentinien als dominante Mannschaften wieder hergestellt. 2002 war eher die Ausnahme von der Regel."

Frage: Wer ist für Sie der aussichtsreichste Titelanwärter?
Hickersberger: "Brasilien ist der große Favorit, aber seit 1966 gibt es die Regelmäßigkeit, dass eine WM in Europa nur von europäischen Mannschaften gewonnen wird. Ein weiterer Kandidat ist Italien, allerdings mit dem Fragezeichen, wie negativ sich der Manipulationsskandal auf die Mannschaft und das Umfeld auswirkt und wie fit Totti ist. Die Engländer zählen nur bedingt dazu, weil sie das Turnier ohne Rooney beginnen müssen und es nicht sicher ist, ob er überhaupt eingreifen kann. Außerdem hat Owen zuletzt wenig gespielt, also ist England im Angriff personell nicht so stark. Die Franzosen haben die Qualität und die nötige Erfahrung, dass sie aber so ein langes Turnier kräftemäßig durchstehen können, kann ich nicht glauben. Zum engeren Kreis zählen auch die Deutschen, weil sie die Begeisterung im eigenen Land weit bringen kann. Es wäre eine Überraschung, wenn sie nicht ins Semifinale kommen. Chancen haben auch die Argentinier, die schon in der WM-Quali bewiesen haben, dass sie Brasilien schlagen können."

Frage: Welche Mannschaft könnte zum Überraschungsteam werden? Hickersberger: "Die Schweiz. Das ist eine junge Mannschaft, die in der Qualifikation schwierige Situationen gemeistert und in den jüngsten Testspielen guten Fußball gespielt hat. Überraschungen traue ich auch Portugal und Schweden zu." (APA)