Frage: Wie laufen die Spielbeobachtungen ab?
Hickersberger: "Jedes Spiel wird aufgezeichnet und nach der WM
analysiert und archiviert. Ergänzt wird das Ganze mit unseren
persönlichen Eindrücken, weil sich die Kameras in erster Linie mit
den Geschehnissen rund um den Ball befassen. Uns interessiert aber
auch das Verhalten jener Formationen, die nicht auf Ballhöhe sind."
Frage: In welcher Weise wird das "Spionage-Unternehmen" nach der WM
fortgesetzt?
Hickersberger: "Wir werden im Laufe der EM-Qualifikation jene
Gegner im Stadion beobachten, von denen wir ziemlich sicher annehmen,
dass sie sich für die EURO 2008 qualifizieren."
Frage: Erwarten Sie sich von der WM neue Erkenntnisse im taktischen
Bereich?
Hickersberger: "Es wird keine revolutionären Neuerungen geben, das
ist im Fußball meiner Meinung nach nicht mehr möglich. Ich glaube
aber, dass die Räume enger werden. Es kann durchaus sein, das durch
die gute Organisation der Mannschaften wenig Chancen zugelassen
werden und wir dadurch weniger Tore als bei früheren
Weltmeisterschaften sehen."
Frage: Halten sie ähnliche Überraschungen wie bei der WM 2002 und
bei der EM 2004 für möglich?
Hickersberger: "Es wird meiner Meinung nach wenig Überraschungen
geben, auch weil die Superstars durch die Schutzsperre der FIFA
ausgeruht zur WM kommen. Generell ist eine Sensation eher bei einer
EM möglich. Eine WM dauert länger, außerdem ist die Konkurrenz zu
stark, daher glaube ich, dass eine große Nation Weltmeister wird."
Frage: Werden Teams aus Asien und Afrika eine ähnlich starke Rolle
spielen wie bei der WM 2002?
Hickersberger: "Das glaube ich nicht. Meiner Meinung nach werden
die alten Kräfteverhältnisse mit den europäischen Teams sowie
Brasilien und Argentinien als dominante Mannschaften wieder
hergestellt. 2002 war eher die Ausnahme von der Regel."
Frage: Wer ist für Sie der aussichtsreichste Titelanwärter?
Hickersberger: "Brasilien ist der große Favorit, aber seit 1966
gibt es die Regelmäßigkeit, dass eine WM in Europa nur von
europäischen Mannschaften gewonnen wird. Ein weiterer Kandidat ist
Italien, allerdings mit dem Fragezeichen, wie negativ sich der
Manipulationsskandal auf die Mannschaft und das Umfeld auswirkt und
wie fit Totti ist. Die Engländer zählen nur bedingt dazu, weil sie
das Turnier ohne Rooney beginnen müssen und es nicht sicher ist, ob
er überhaupt eingreifen kann. Außerdem hat Owen zuletzt wenig
gespielt, also ist England im Angriff personell nicht so stark. Die
Franzosen haben die Qualität und die nötige Erfahrung, dass sie aber
so ein langes Turnier kräftemäßig durchstehen können, kann ich nicht
glauben. Zum engeren Kreis zählen auch die Deutschen, weil sie die
Begeisterung im eigenen Land weit bringen kann. Es wäre eine
Überraschung, wenn sie nicht ins Semifinale kommen. Chancen haben
auch die Argentinier, die schon in der WM-Quali bewiesen haben, dass
sie Brasilien schlagen können."