Halbe Geschichten in Tschechien.

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Noch-Premier Jirí Paroubek empfiehlt Sozialdemokraten Oppositionsrolle.

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Oppositionsführer Mirek Topolánek hat auch keine Mehrheit hinter sich.

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Der Rechtsliberale Mirek Topolánek soll nach den Wahlen eine Regierung bilden. Seine Koalition würde aber nur über die Hälfte der Sitze im Parlament verfügen. Genau wie die Linke. Aus Prag berichtet Robert Schuster.

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Die Wahlen zum tschechischen Abgeordnetenhaus vom vergangenen Wochenende brachten keine klaren Mehrheitsverhältnisse und endeten mit einem Unentschieden zwischen linken und bürgerlichen Parteien, die jeweils über 100 Abgeordnete verfügen. Eine Pattsituation in Tschechien. Erstmals nach der politischen Wende des Jahres 1989 gaben die Wahlen keine Auskunft über die künftige Regierung des Landes.

Am Montag begannen die ersten politischen Gespräche bei Präsident Václav Klaus, der erwartungsgemäß dem Wahlsieger Mirek Topolánek von der siegreichen Demokratischen Bürgerpartei (ODS) den Auftrag zur Regierungsbildung erteilte. Topolánek will nun versuchen, zusammen mit den Christdemokraten und Grünen eine Einigung über die künftige Regierung zu erzielen und hofft dabei auch auf die Tolerierung oder Unterstützung der Sozialdemokraten (CSSD). Deren Chef, Premier Jirí Paroubek, will seiner Partei den Gang in die Opposition vorschlagen.

Geteiltes Land

Tschechien ist in zwei Hälften geteilt. Auch geografisch lässt sich eine klare Trennlinie feststellen. Während die böhmischen Regionen mit Ausnahme des Kreises Aussig (Usti), wo Paroubek als Spitzenkandidat der Sozialdemokraten antrat und siegte, alle an die Bürgerpartei gingen, wählte der der mährische Landesteil sozialdemokratisch.

Die Zuspitzung des Wahlkampfs auf die Spitzenkandidaten der beiden Großparteien, Topolánek und Paroubek, hat nicht nur zu einer höheren Wahlbeteiligung verholfen. Im Vergleich zum Jahr 2002 lag sie um fünf Prozentpunkte höher, bei 64,5 Prozent. Profitieren konnten auch die beiden großen Parteien. So ist die Bürgerpartei (ODS) mit 81 Mandataren so stark wie noch keine andere Partei zuvor im Parlament vertreten, und auch die Sozialdemokraten konnten um vier Abgeordnete zulegen und werden künftig mit 74 Mandataren vertreten sein.

Verluste für kleinere Parteien

Zum Teil empfindliche Verluste mussten kleinere Parteien einstecken. Etwa die unreformierten Kommunisten (KSCM), die von 41 auf 26 Mandate zurückfielen. Auch die bisher mitregierenden Christdemokraten (KDU-CSL) mussten Federn lassen. Sie werden künftig nur mehr mit 13 statt bisher 21 Abgeordneten vertreten sein.

Zu den Gewinnern der Wahl gehören aber die tschechischen Grünen, die landesweit überhaupt erstmals den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde schafften und im Abgeordnetenhaus mit sechs Parlamentariern vertreten sein werden. Insgesamt kam es zu einem großen Sesselrücken. Im Abgeordnetenhaus wird genau die Hälfte der Mandatare neu besetzt werden.

Den Sieg der rechtsliberalen Bürgerpartei (ODS) sagten schon die ersten Prognosen nach der Schließung der Wahllokale am Samstag nach 14 Uhr voraus. Am Abend gab dann Präsident Václav Klaus eine Erklärung ab, in der er Gespräche mit dem Wahlsieger Topolánek ankündigte. Minuten später trat Regierungschef Paroubek vor die Öffentlichkeit und erklärte, dass durch das Wahlergebnis der Demokratie in Tschechien "ein harter Stoß versetzt wurde, der nur mit dem Februar 1948 zu vergleichen ist, nur mit dem Unterschied, dass diesmal eine blaue Totalität droht". 1948 sind in der damaligen Tschechoslowakei die Kommunisten an die Macht gelangt; blau ist die Parteifarbe der rechtsliberalen ODS.

Pressekonferenzen

Paroubek prangerte die Wahlkampagne der Bürgerpartei an, bezichtigte sie der Manipulation von Fakten und nannte die Namen einiger Journalisten, die in seinen Augen im Sinne der ODS berichtet hatten. Am Ende der Erklärung, die er mit erregter Stimme vorlas, wandte er sich an Präsident Klaus und sagte, dass die Linke im Parlament über 101 von 200 Abgeordneten verfüge und keine andere Mehrheit möglich sei. Zu diesem Zeitpunkt schien dies rechnerisch möglich zu sein.

Knapp zwei Stunden später rief Präsident Klaus erneut eine Pressekonferenz ein und meinte, er sei durch die Aussagen des Premierministers, der seiner Meinung nach die Wahlniederlage nicht verkraftet habe, "geschockt". Er werde es nicht zulassen, dass "die Ergebnisse einer freien Wahl mit Füßen getreten würden". (DER STANDARD, Printausgabe 6.6.2006)