Wie im "Organon" von Stephan Schulmeister (siehe "Nachlese") dargestellt, stellen die ursprünglichen Sicherheitsanker der Finanzmärkte längst ein systemisches Risiko für die Weltwirtschaft dar. Multimilliardär Warren Buffet sieht in Derivaten gar "finanzielle Massenvernichtungswaffen". Wie viele Crashs durch diese Finanzgebarung verursacht wurden, muss hier nicht noch einmal ausgeführt werden. Wir wollen uns hier auf das von Schulmeister nur angedeutete Problem "Was tun"? konzentrieren.

Der überfälligen Regulierung kommt ein Umstand entgegen: Der Derivatehandel ist hoch konzentriert. Je drei Banken halten 86 Prozent aller weltweiten Zinsderivate, 89 Prozent aller Devisenderivate und gar 96 Prozent aller Kreditderivate.

Maßnahme Nummer eins könnte die Untersagung des unregulierten und unbeaufsichtigten OTC-Handels (außerhalb von Börsen) sein. Das lässt sich analog zum Glücksspiel betrachten. Auch hier gibt es die Beschränkung auf bestimmte Räume unter bestimmten Regeln. Das Motiv der Regulierung von Derivaten ist jedoch nicht primär die Verhinderung des Bankrotts der aktiven Spieler, sondern des Bankrotts unbeteiligter Dritter, zum Beispiel Bank-Sparer.

Zweitens könnten die Sicherheitsleistungen (Eigenkapitalforderungen) stark angehoben werden, für spekulative Optionen auf mehrere hundert Prozent. Devisentransaktions- und Börsenumsatzsteuern würden zusätzlichen Sand ins Derivate-Getriebe streuen. Schließlich könnten rein spekulative Derivate verboten und generell eine Zulassungspflicht für neue Produkte (ähnlich der Chemieindustrie) eingeführt werden.

Die Regulierung der Finanzmärkte sollte aber nicht bei Derivaten stehen bleiben. Auch die Anlagepolitik von Fonds sollte stärker vorgegeben und vor allem ihre Größe begrenzt werden. Fonds könnten unter einer bestimmten Haltedauer von Aktien das Stimmrecht verlieren, um kurzfristige Unternehmensattacken zu vereiteln. Die Koppelung von Managergehältern an Aktienkurse (z. B. Stock options), derzeit in Österreich sogar steuerbegünstigt, sollte untersagt werden.

Schließlich muss der freie Kapitalverkehr in Steueroasen geschlossen werden.

Dem neoliberalen Zeitgeist gemäß dürfen Akteure auf den Finanzmärkten heute tun und lassen, was sie wollen. Im Glücksfall gehört der Gewinn ihnen, im Unglücksfall bilden Staat und Steuerzahlergemeinschaft das Auffangnetz.

Gegen Auffangen ist nichts einzuwenden, aber die Auffänger müssen definieren, welche Risikoaktivitäten zulässig sind und welche nicht. Bawag und Hypo Alpe Adria sollten als Anlass genommen werden, die Finanzmärkte in den Dienst an der Realwirtschaft und des Gemeinwohls zu stellen. Den ersten Schritt könnten der ÖBG und das Bawag-Management selbst machen, indem sie die Bawag auf ihre Kernaufgaben zurückführen und schrittweise in eine Ethik-Bank umwandeln. Dann hätte er auch die nötige Glaubwürdigkeit in der Forderung nach der überfälligen Regulierung der nationalen und globalen Finanzmärkte. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7.6.2006)