Vom Gastarbeiterkind zur promovierten Soziologin und ausgezeichneten Publizistin: Necla Kelek (49).
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Verschleierte muslimische Babys machen sie rasend, das Kopftuch hält sie für "Körperverletzung", mehr als die Hälfte der Muslime für integrationsunwillig, den westlichen Staaten wirft sie "falsche Toleranz"vor: Die deutsch-türkische Soziologin Necla Kelek im Gespräch.

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Wien - Irgendwann fand sich Necla Kelek in ihrem Zimmer eingesperrt. Der Vater hatte die 13-Jährige von ihren Lieblingsfächern Turnen und Schwimmen "befreit". Muslimische Mädchen tun sowas nicht. Am liebsten hätte er den Schulbesuch verboten. Geblieben war ihr nur "meine Freundin Scarlett. Mit ihr habe ich mir immer geschworen, ich lass mir nichts gefallen". So wurde der Roman "Vom Winde verweht" quasi die Erweckungslektüre der aufmüpfigen Schülerin.

Den Scarlett-Impuls trägt die deutsch-türkische Soziologin, die über "Islam und Alltag" promovierte, bis heute in sich: Sie sei fast ausgerastet, als sie vor Kurzem in Pforzheim ein Baby mit Kopftuch erblickte, erzählt Kelek, die sich auf Einladung von Wiens ÖVP-Landesparteichef Johannes Hahn in Wien aufhält: "Das Kopftuch ist für mich Körperverletzung."Also verbieten, ganz eindeutig, meint die 49-jährige Publizistin, die zuletzt mit ihren Büchern "Die fremde Braut" über Importbräute und arrangierte Ehen, sowie "Die verlorenen Söhne. Plädoyer für die Befreiung des türkischen Mannes", das auch so genannte Ehrenmorde behandelt, für Aufregung sorgte.

"Falsche Toleranz"

Kelek wirft nicht nur Deutschland, sondern den westlichen Gesellschaften insgesamt, "falsche Toleranz" im Umgang mit muslimischen Migranten vor - Betonung auf Muslime, denn so Kelek: "Der Islam ist Politik und Religion zugleich, er bestimmt Alltag, Denken und Handeln." Es gebe ein länderübergreifendes Phänomen, im Gegensatz zu "Griechen, Italienern, Portugiesen ist sich auszugrenzen ein Problem muslimischer Gruppen", meint Kelek. Sie selbst kam als Kind eines zwangsverheirateten Gastarbeiterpaares mit zehn Jahren von Istanbul nach Deutschland und wurde vom immer traditionalistischer werdenden Vater wegen Aufmüpfigkeit in einem, wie sie sagt, "symbolischen Ehrenmord", fast zu Tode gewürgt.

Import-Gelins

Soziale Gründe oder Diskriminierungserfahrungen lässt Kelek für mangelnde Integration nicht gelten: "Ich sehe eher die Kulturdifferenz, nicht sozioökonomische Differenz. Die Eltern grenzen ihre Kinder bewusst aus. Mercedes kaufen, Häuser bauen in der Türkei und Flugtickets für den ganzen Clan geht, aber einen Schulausflug für die Tochter oder einen Deutschkurs können sie sich nicht leisten?"Für Kelek sind das alles Belege dafür, dass "mehr als fünfzig Prozent der Muslime nicht integrationswillig sind".

Sie fordert einen fordernden Staat, der Integration abverlangt und so muslimische Kinder "vor ihren Eltern beschützt. Der Staat ist verpflichtet, dem Menschen das Gefühl zu geben, dass er ein Ich ist."Ein Ich, das der Islam konsequent austreibe und "dem Kollektiv, dem Clan, der Sippe unterordnet", so Kelek.

Umgang mit Frauen

Überhaupt ist für Kelek "der Lackmustest für den Islam, wie er mit Frauen umgeht." In diesem Punkt ist sie unerbittlich: "Will ich Muslimin sein oder ein freier Mensch?", heißt Keleks Alternative. Das betreffe vor allem die halbe Million "gelins"- "Importbräute"- die nach Deutschland geholt worden seien und in "Parallelgesellschaften"ihr Leben fristen müssten, kritisiert Kelek.

"Für mich hat das Dimensionen angenommen, die zum Verhängnis für Europa werden können", warnt Necla Kelek. Als Gegenrezept setzt sie auf "Ratio", beginnend im Kindergarten, denn: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass auf dem Teppich in der Moschee Demokratie entstehen kann." (DER STANDARD, Printausgabe 10./11.6.2006)