Czernin litt seit längerem an einer seltenen chronischen Zellerkrankung. Am Samstag verstarb er 49-jährig in Wien.

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Ob Hubertus Czernin schon krank war, als ich ihn im Frühjahr 1998 kennen lernte: Ich weiß es nicht. Czernin redete ungern über sich: Es hatte um die gerechte Sache zu gehen, nicht um ihn.

Augenscheinlich wurde seine Krankheit, eine bis dato unbekannte Form der Mastozytose, die daher den Namen Morbus Czernin erhielt, erst später: Czernin verlor erschreckend an Gewicht, schleppte sich mit kleinen Schritten am Stock weiter. Aber zumindest konnte am AKH sein Gesundheitszustand über mehrere Jahre stabilisiert werden.

Seine Krankheit war Herausforderung: niemals aufzugeben. Aber nicht der Verlogenheit der katholischen Kirche, auch dem Westentaschen-Haider nicht galt das Interesse Czernins: Seine ersten Beiträge für den STANDARD im August 1997 beschäftigten sich mit den Holocaust-Konten in der Schweiz.

Anfang Jänner 1998 wurden in New York zwei Schiele-Gemälde aus der Sammlung Leopold beschlagnahmt. Und so widmete sich Czernin dem Thema NS-Raubkunst. Er arbeitete auch ein Kapitel der eigenen Familiengeschichte auf: Wie Jaromir Czernin-Morzin Adolf Hitler das Gemälde "Der Künstler in seinem Atelier" von Jan Vermeer verkaufte - ohne Nötigung.

Doch im Zuge der intensiven Beschäftigung mit dieser düsteren Epoche wurde eines immer klarer: dass die Zweite Republik mit allen Mitteln vieles weiter zu besitzen trachtete, was vom NS-Regime enteignet worden war. Im Februar 1998 begann DER STANDARD die Serie "Das veruntreute Erbe" zu publizieren: Czernin legte unter anderem erstmals den Fall Bloch-Bauer dar. Eine Woche zuvor hatte ich meine Recherchen über den Fall Rothschild veröffentlicht. In der Folge führten Czernin und ich ein furchtbar enttäuschendes Interview mit dem damaligen Bundeskanzler: Viktor Klima hielt nicht viel von Restitutionen.

Um auf die große Koalition Druck zu machen, mussten daher andere, aktionistische Wege eingeschlagen werden: Auf Basis von Czernins Informationen bombardierten - ja, man muss es so nennen - die Grünen Bildungsministerin Elisabeth Gehrer mit parlamentarischen Anfragen. Im November 1998, als das neue Kunstrückgabegesetz beschlossen wurde, legte Czernin ein schmales Buch vor, das die Grünen und das Liberale Forum jedem Parlamentarier auf das Pult legten: "Die Auslöschung" über den Fall Thorsch.

Die Republik weigerte sich zwar, den Erben des Bankiers die Banklizenz zurückzugeben, aber Czernin kämpfte weiter. Auch wenn das Experiment, zusammen mit Fritz Molden einen Verlag zu leiten, gescheitert war: Czernin gründete 1999 eben seinen eigenen. Und eine Buchreihe, "Die Bibliothek des Raubes", sollte ein Eckpfeiler werden: Czernin übernahm von Molden die ersten beiden Bände von ihm und von mir. Weitere sollten folgen. Zum Beispiel jene beiden über den Fall Bloch-Bauer von Czernin selbst.

Sein Büro hatte er in der Stallburggasse, direkt über dem Café Bräunerhof: Czernin saß zumeist versunken hinter seinem Computer, und durch seine Brillen sah er den Besucher von unten mit fragendem, mit zweifelndem Blick an. Er war, zumindest in Gedanken, immer schon einen Schritt weiter. Und er dachte immer strategisch: Czernin war ein exzellenter, ein strenger Lehrmeister. Nicht nur für mich, sondern auch für Gabriele Anderl, Ruth Pleyer und Sophie Lillie. Sie recherchierten mitunter für ihn Provenienzen. Und sie werden sicher in seinem Sinne weiterforschen. Eigene Recherchen konnte er nicht mehr durchführen, das gewichtige Buch "Was einmal war" über die Wiener Kunstsammlungen schrieb Lillie schließlich allein, das Erscheinen des Bandes über den Vermeer wurde immer wieder nur anvisiert.

Maria Altmann, der Nichte von Ferdinand Bloch-Bauer, musste endlich Gerechtigkeit widerfahren: Der Glaube daran hielt Czernin am Leben. Und als sich das Schiedsgericht Anfang dieses Jahres für die Restitution der fünf Klimt-Bilder aussprach, hatte Czernin einen seiner größten Siege errungen.

Am Dienstag sollte er von der jüdischen Hilfsorganisation B'nai B'rith mit der Goldenen Medaille geehrt werden - als einer der Gerechten dieser Welt. Den Preis und den Band mit Laudationes, ganz geheim vorbereitet, kann Hubertus Czernin nicht mehr in Empfang nehmen. Aber seine Mission hat er erfüllt. (DER STANDARD, Printausgabe, 12.6.2006)