Das Four Seasons

www.fourseasons.com
Der junge Heine brauchte ihn nicht, den Luxus, aber er schätzte ihn. Gern tat er mit "Campen", gemeint war sein Verleger Julius Campe, "in Rheinwein und Austern schlampampen", und er genoss die mondäne Atmosphäre der Hotels und Seebäder seiner Zeit. Das wurde stets teurer als geplant. Heines Bettelbriefe sind die schönsten der Welt: "Wenn Du mir nicht gleich vierzig Taler schickst", schrieb er 1830 an einen Freund, "so werde ich auf Deine Kosten hier verhungern."

Wenn man denn heute solch einen Freund oder Onkel hätte, man müsste nach New York fahren und in einem der Hotels rund um den Central Park wohnen. Man kann sagen, was man will, der Central Park ist und bleibt einer der schönsten Orte der Welt, die Welt des Luxus hat sich allerdings im Vergleich zum 19. Jahrhundert verändert: Die gesellschaftlich mondänen Kurbäder von einst sind heute Wellness-Center, die Grand Hotels wurden den internationalen Standards großer Hotelketten angepasst.

Eine der ersten Adressen, die Heine heute mit dem onkeligen Geld anzusteuern hätte, wäre wohl das Four Seasons in der 57. Straße zwischen Park und Madison Avenue. Die von I. M. Pei 1993 gestaltete Lobby, deren Größe und düstere Beleuchtung an Gotham City erinnern, sorgt für ein abgeschirmtes Territorium. Die Hotelgäste wechseln aus dem Wirbel der Stadt in eine filmreife Kulisse für ihre Selbstdarstellungen. Filmreif auch die Preise: Ein Snack für zwei mitsamt zwei Gläsern Weißwein kostet lockere 180 Dollar. Die Zimmer selbst sind nicht allzu groß, verzichten auf pseudo-individuelles Schnickschnack und verfügen über besten amerikanischen Komfort. Das heißt, man übernachtet in perfekt funktionierenden, hoch technisierten Pleasure-Boxes, steuert mit dem Multimedia-Equipment Raumtemperatur, Fernsehkanäle und ein polyglottes Personal, das 24 Stunden rotiert und dem das Lächeln nicht ausgeht. Die Stadt erscheint als ein entrücktes Bühnenbild.

Am Südende des Parks

Dagegen vermittelt das 1931 eröffnete Essex House am Südende des Parks mit seinen Bars, Cafés, Salons und Passagen noch die Idee eines hysterischen Treffpunkts aus der Ära des Jazz Age. Beim Sunday Brunch im Café Botanica können freilich schon einmal die Croissants ausgehen, und das Personal gibt sich europäisch selbstbewusst oder ist wohl einfach nur schlecht bezahlt.

Die schöne Art-déco-Ausstattung, die 15 Handtücher in jedem der 515 Zimmer, der großartige Blick auf den Park reichen jedoch nicht aus, um den zeitgemäßen Vorstellungen eines großen (und teuren) Hotels zu genügen. Dem Essex ist deshalb die Übernahme nicht erspart geblieben. Zu Beginn des Jahres hat die Dubaier Jumeirah Group das Traditionshotel übernommen und wird nach einer Totalrenovierung für die Durchsetzung einer standardisierten Definition von Luxus sorgen.

Der einzig ernst zu nehmende Konkurrent für das Four Seasons ist dabei das neue Mandarin Oriental an der Westseite des Parks. Mit Zimmerpreisen jenseits der 750 Dollar und einer Lobby im 29. Stock ist die Schwelle hoch gesetzt. Das Mandarin ist eine Welt für sich, durchgestylt vom Schokoladekorb im Hotelzimmer bis zum Schwimmbecken mit grandiosem Blick aus dem 36. Stock. Die Atmosphäre aber bleibt unpersönlich und so manieriert wie die Fusionsküche im Restaurant. Wozu die Stadt, die man da winzig und lautlos vor sich sieht, noch betreten, scheint das Hotel zu fragen? Dennoch: Die Stadt lockt, etwa das Odeon in Tribeca, in den 70ern wilder Künstlertreff, heute sorgsam renoviert und immer noch Treffpunkt einer In-Crowd. Der Abend könnte im Quhnia, einem winzigen polnischen Restaurant im East Village, beginnen mit Borschtsch, hervorragenden Blinis und verrückt gutem, mildem Wodka.

Bis zu Strands

Je nach Menge reicht die Energie dann hinauf bis zu Strands am Broadway, dem Antiquariat, in dem man sich stundenlang zwischen "18 miles of books" verliert, oder bis hinauf ins St. Clement's Theatre in der 46. Straße: In der ehemaligen Episcopal-Kirche zwischen 9. und 10. Avenue findet seit vielen Jahren wöchentlich die "Monday Night Magic" statt. Denn New York ist die Stadt der Magier. In lockerer Atmosphäre treten hier großartige Zauberkünstler auf, in den Pausen bieten junge Talente Close-Up-Magie vor dem gestrengen Blick der Experten, und allein die Moderation von Jamy Ian Swiss lohnt den Besuch.

Und weil man ja nicht nach New York gefahren ist, um dort bloß zu schlafen, ließe es sich noch bis in Dizzy's Club Coca-Cola schaffen. Der eigens für Jazzveranstaltungen konzipierte, vom Lincoln Center betriebene Club liegt im 5. Stock am Columbus Circle und bietet Jazz vom Feinsten vor einer unglaublichen Skyline. Das Rauchverbot ist allerdings unerbittlich und der Weg bis auf die Straße länger als das längste Trompetensolo der Jazzgeschichte.

Im Preiskampf um das teuerste Hotel der Stadt hat im Übrigen derzeit wahrscheinlich das Four Seasons die Nase vorne. Noch im Juni eröffnet die 400 Quadratmeter große Präsidentensuite im obersten Stockwerk mit vier Balkonen, Wasserfall, Butler und Schilf-Paneelen im Schlafzimmer - das Hotelgemach als hypertrophe Neubauwohnung für melancholische Stars und vom Erfolg geplagte Oligarchen. Kostenpunkt: 30.000 Dollar pro Tag. "Frühstück inklusive", erklärt Hoteldirektor Christoph Schmidinger augenzwinkernd. (Der Standard/rondo/16/6/2006)