Foto: Eddi Wagner/ Upsolut MV
Schwer beladene Schmuggler taten es, und Prinzessinnen, getragen in Sänften. Der Feldherr Hannibal tat es mit Elefanten, Bauern tun es immer noch, Jahr für Jahr, mit hunderten von Schafen und Rindern. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung sind die Alpen nämlich weniger eine Barriere als ein Objekt der Bezwingungsbegierde und der Überwindungsnot.

Deutsche Sprachinseln im friaulischen Süden und romanische Siedlungsnamen in Nordtirol belegen das. Galtür bedeutet "Kultur" im Sinne von Agrikultur, und Ischgl war ursprünglich eine "Insel" der Rodung im alpinen Urwald.

Nicht allen gelang die Überwindung der Alpen. Der "Mann aus dem Eis", besser bekannt als "Ötzi", scheiterte auf 3200 Meter Seehöhe in den Ötztaler Alpen. Das war vor 5300 Jahren, und nach wissenschaftlicher Ausschlachtung und langen Besitzstreitereien fand die Gletschermumie ihre seither viel bestaunte Deponie in Bozen. Kein Scheitern, weil es nicht um eine Überquerung, sondern um einen Höhenrekord ging, war hingegen die Landung des Schweizer Forschers und Ballonfahrers Auguste Piccard und seines Assistenten Paul Kipfer knapp vor dem Alpenhauptkamm auf dem Gurgler Ferner. Die beiden waren in Augsburg gestartet, wurden vom Wind nach Süden getrieben und erreichten eine Rekordhöhe von 16.203 Metern. Ihre Landung am 27. Mai 1931 löste einen beispiellosen Medienrummel aus, der das Bergbauernnest Obergurgl mit einem Schlag weltberühmt machte.

Piccard-Landung

Vor einigen Wochen feierten Tiroler Ballonfahrer, voran der Extremkletterer und Himalayabergsteiger Wolfgang Nairz das 75-Jahr-Jubiläum der Piccard-Landung mit einem Heißluftballon-Fest in Obergurgl. Ballonfahrer Nairz: "Wenn du in 6000 Meter Höhe über den Alpen schwebst und mit eigenen Augen siehst, wie die Erde wirklich rund ist, löst das ein beispielloses Glücksgefühl aus."

Weil die Überwindung der Alpen durch Straßen, Bahnlinien, Autobahnen und Skilifte längst zur Selbstverständlichkeit und teilweise schon zum Ärgernis geworden ist, wuchs die Herausforderung zur Alpenüberquerung mit eigener Kraft, by fair means: zu Fuß, mit Tourenskiern, neuerdings auch mit dem Mountainbike.

Trekking über die Alpen, mit Tagesetappen bis zu 30 Kilometern, mit minimalem Gepäck, wird, seit bei vielen Bergsteigern nicht mehr unbedingt der Gipfel, sondern eher der Weg das Ziel ist, zur Entdeckung der Langsamkeit. Das Netzwerk der Wege und Schutzhütten steuert dabei eine Portion Sicherheit und ein Quäntchen Bequemlichkeit bei, ohne der physischen und psychischen Leistung allzu viel Abbruch zu tun.

"Große Traumwege über die Alpen"

Drei "Große Traumwege über die Alpen" listet ein neuer Trekkingführer auf. Erstens von der bayrischen Isar durch Karwendel, Tuxer und Zillertaler Alpen zum Pustertaler Flüsschen Rienz, zweitens "auf Ötzis Spuren" von Oberstdorf durch die Lechtaler und Ötztaler Alpen in den Südtiroler Vintschgau und drittens ein Treck zwischen den olympischen Wintersportorten Garmisch, Innsbruck und Cortina d'Ampezzo.

Die Entwicklung des Fahrrads von der schmalreifigen Asphaltmaschine zum breitstolligen Hightech-Offroad-Gerät öffnete die Alpenüberquerung auch für Pedaltreter. Berichtete noch vor 25 Jahren ein stolzer Radler im Reiseteil der Wochenzeitung Die Zeit, er habe auf den 580 Kilometern asphaltierter Bundesstraßen zwischen München und Venedig nur ein Mal, knapp vor dem Brennerpass, absteigen müssen, so werden heute mit drei vorderen Kettenblättern und neunfachem hinteren Zahnkranz Untersetzungen erreicht, die extreme Steigungen auf schottrigen Wegen ermöglichen.

Kein Wunder also, dass es bereits ein Mountainbikerennen quer über die Ostalpen gibt: Es führt in acht Tagesetappen (600 Kilometer und über 20.000 Höhenmeter) von Füssen im Allgäu über den Westen Tirols, das schweizerische Engadin und Nordostitalien nach Limone am Gardasee. 18 Pässe werden bei dieser von einer Radzeitschrift organisierten "BIKE-Transalp Challenge" überquert, die höchsten sind die Idalpe im Paznauntal (2768 Meter), die Bocchette di Forcola (2737 Meter) und das Rabbijoch (2467 Meter).

"Ironman

Die Teilnehmerzahl dieses "Ironman" für Mountainbiker ist aus organisatorischen Gründen mit 525 Zweierteams - Frauen, Männer und Mixed - limitiert. Für die heurige Transalp Challenge (15. bis 22. Juli) war der Anmeldebeginn am 6. Jänner - weniger als zwei Wochen später war die Veranstaltung restlos ausgebucht. So ein Massenauftrieb mit über tausend Bike-Bewegten, mit Sponsoren und straffer Organisation liegt voll im Trend der Eventkultur, ist aber nicht unbedingt jedermanns Sache.

Eine ganz andere, sehr individuelle Form der Alpenüberquerung hat eine 51-jährige, konditionsstarke Innsbrucker Chemikerin für sich entdeckt. Vor drei Jahren radelte sie mit Begleitung von Vent im Ötztal über die Similaunhütte ins Südtiroler Schnals- tal und über das Eisjöchl und das Timmelsjoch zurück nach Sölden.

Seither hat diese kombinierte Fortbewegungsform im Hochgebirge, bei der das Radfahren auf schmalen Pfaden, Gletscherabschnitten, aber auch Asphalt immer wieder ergänzt wird durch Geh-, das heißt also auch Schiebestrecken, sie "richtig gepackt". Einmal im Jahr überquert sie, mit Freunden oder ihren erwachsenen Kindern, den Alpenhauptkamm und trifft dabei auf nicht mehr als eine Hand voll Gleichgesinnter. (Der Standard/rondo/16/6/2006)

Literatur: Aichinger, Gerald: "Trekking über die Alpen". Wandern von Hütte zu Hütte von Bayern über Tirol nach Südtirol und in die Dolomiten. Tyrolia-Verlag, 2005. Stanciu, Ulrich: "Traumtouren Transal", mit CD-ROM. Die schönsten Alpenüberquerungen mit dem Mountainbike. Verlag Delius Klasing, 7. Aufl. 2005. Gstrein, Norbert: "O 2 ". Novelle. Suhrkamp Verlag, 1993. (Literarische Verarbeitung der Ballonlandung Auguste Piccards auf dem Gurgler Ferner.) "Transalp Challenge" von Füssen bis Limone am Gardasee: transalpchallenge
Zwei Tiroler Etappen in Imst und Ischgl: info@imst.at , ischgl