Das Talent als Verantwortlicher für die politischen und diplomatischen Aktivitäten des Heiligen Stuhls fehlt dem Kardinal sicher nicht. Im Vatikan galt er schon vorher als Mann für heikle Aufgaben. Im Jahr 2000 hatte er den Auftrag zur Enthüllung des "Dritten Geheimnisses von Fatima".
Auch Aussagen zu kritischen Themen scheute der heute 71-Jährige nie. "Manche Leute sollte man zur Zwangsarbeit nach Libyen schicken, damit sie den Wert des Respekts begreifen lernen", sagte Bertone im Februar, als der damalige italienische Minister Roberto Calderoli im Zusammenhang mit dem Karikaturenstreit ein T-Shirt mit "witzigen" Zeichnung des Propheten Mohammed trug. In jüngster Zeit sorgte der als konservativ geltende Kardinal für Schlagzeilen, als er den Bestseller "Sakrileg" von Dan Brown und den darauf basierenden Film "Der Da Vinci Code" öffentlich kritisierte.
Der "Cardinale del sorriso", der lächelnde Kardinal, wie er vor Kurzem in einem Buch bezeichnet wurde, tritt nicht nur häufig und gerne im Fernsehen auf, sondern auch in den Pfarren seiner Diözese. Bertone ist gerade dabei, einen "gastronomischen Diözesanführer" zu schreiben. Das Mittagessen mit seinen Priestern, das als Gelegenheit zum besseren Kennenlernen gedacht war, ist zu einer kulinarischen Tradition geworden. Dem Vernehmen nach hat von den bisher besuchten 184 Priestern noch keiner eine schlechte Bewertung der Küche seines Pfarrhauses bekommen.
Die kulinarische Leidenschaft hat vielleicht mit Bertones piemontesischer Herkunft zu tun. Der Kardinal wurde 1934 in Romano Canavese bei Turin geboren. Er studierte katholische Theologie in Turin und Rom, wo er später Kirchenrecht lehrte. 2003 wurde er Erzbischof von Genua. Im selben Jahr wurde er von Papst Johannes Paul II. zum Kardinal ernannt. Von 1995 bis 2002 war Bertone Sekretär in der Glaubenskongregation, wo er eng mit dem damaligen Kardinal Joseph Ratzinger zusammenarbeitete.