Silja Tillner studierte an der Akademie bei Professor Gustav Peichl.

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Silja Tillner hat an der TU Wien und dann an der Akademie bei Gustav Peichl studiert. Dort hat sie die individuelle Betreuung durch die Professoren und Assistenten geschätzt. Sie betreibt ein Architekturbüro in Wien.

STANDARD: Nach Ihrem Diplom in Wien studierten Sie noch zwei Jahre an der UCLA. Wie wichtig war diese Zusatzausbildung?

Tillner: Die war für mich sehr wichtig, weil amerikanische Universitäten ein interessanter Gegenpol zu den europäischen sind. Man konnte im Rahmen der Postgraduate-Ausbildung auch Klassen in anderen Studienrichtungen belegen, z. B. in der Filmschule. Ich habe als Teil meiner Diplomarbeit einen Animationsfilm über einen Freeway, der eine Nachbarschaft zerstört hat, gemacht. Außerdem gab es hervorragende Bibliotheken an der UCLA.

STANDARD: Wie war die Ausbildung an der Akademie im internationalen Vergleich?

Tillner: Sehr gut. Eigentlich bin ich ja erst durch die Cooper Union in N. Y., damals unter John Hejduk, an die Akademie gekommen. Da ich dort als Ausländerin kein Diplom erhalten hätte, haben sie mir die Akademie in Wien und Prof. Peichl empfohlen. Der Unterschied zur TU war größer; in N. Y. war das Verhältnis zwischen den Lehrenden und Studierenden sehr diskursiv und intellektuell.

STANDARD: Wie muss man sich den Weg von einem Studium an der Akademie zum eigenen Büro vorstellen?

Tillner: Das geht nicht direkt vom Studium weg. Ich war nach meinem Diplom sechs Jahre in Los Angeles, von denen ich ein Jahr studiert und fünf Jahre voll gearbeitet habe. Zuerst in einem Architekturbüro und dann auch in der Stadtplanung. Ohne den Umweg über L. A. hätte ich mich nicht selbstständig machen können, denn in L. A. habe ich meinen ersten Auftrag für Wien erhalten.

STANDARD: Gibt es Erfolgsstrategien, Tipps für Studierende?

Tillner: Auslandsaufenthalte, um den Horizont zu erweitern. In verschiedenen Jobs, auch in anderen Branchen, arbeiten; nicht nur in Architekturbüros, sondern beispielsweise auch in der Stadtplanung, und lernen, selbstständig eigene Projekte zu betreuen und die komplette Verantwortung zu übernehmen.

STANDARD: Sie haben einige frauenspezifische Projekte realisiert. War das in den 80er-Jahren an der Akademie schon ein Thema?

Tillner: Nein. Frauenspezifischen Themen bin ich erst in den USA begegnet. Sie sind uns dort eine Generation voraus, in Harvard und Yale haben die Frauen bereits in den 60er- und 70er-Jahren eine Frauen- und Minderheitenquote für ProfessorInnen gefordert und auch erreicht.

STANDARD: Soll eine Akademie ein Experimentierlabor sein oder auf den freien Markt vorbereiten?

Tillner: Die Akademie sollte unbedingt ein freies Experimentierlabor sein. Die Ausbildung muss den Studierenden helfen, eine eigene Persönlichkeit und Haltung zu entwickeln, um dann konsequent und kompromisslos einen eigenen Weg gehen zu können. Den Rest lernt man ohnehin in Architekturbüros. (cb/DER STANDARD Printausgabe, 22. Juni 2006)