Wie oft haben Sie gezweifelt, ob der Schritt zum eigenen Team der richtige war?
Theissen: "Zu keiner Sekunde. Es war die einzig richtige
Entscheidung. Der Schritt, mit einem von BMW geführten Team
anzutreten, basierte auf verschiedenen Erkenntnissen, die wir in unserer Zeit als Motorenpartner gewonnen haben. Ein Aspekt ist, dass die Bedeutung des Motors als Erfolgsfaktor generell etwas zurückgegangen ist. Vor allem aber waren und sind wir überzeugt davon, dass Erfolg nur über durchgängige Strukturen zu erreichen ist."
Wie sieht Ihre Zwischenbilanz nach acht Rennen aus?
Theissen: "Sehr erfreulich. Wir haben in sechs von acht Grand Prix' Punkte geholt und sind zweimal mit beiden Autos in die Punkte gefahren. Vor allem das Rennen zuletzt in Silverstone war ein echter Erfolg für uns. In England waren wir am gesamten Wochenende vierte Kraft im Feld. Von der Ausgangsposition des vergangenen Jahres ist das ein klarer Sprung nach vorn."
Abgesehen von den Resultaten, sind Sie mit den Fortschritten des Teams zufrieden? Theissen: "Ein Formel-1-Team auf die Beine zu stellen, ist nie einfach. Auch wenn man auf die Ressourcen eines Automobilherstellers und auf die bereits bestehende Infrastruktur eines Teams zurückgreifen kann. Wir befinden uns mitten in einer zweijährigen Aufbauphase. Ich ziehe den Hut vor dem, was die gesamte Mannschaft in München und Hinwil in den vergangenen Monaten geleistet hat. Sie hat praktisch rund um die Uhr gearbeitet."
Kann Ihre Aerodynamikabteilung schon mit den großen Teams
mithalten?
Theissen: "Was den Windkanal selbst angeht, ist die Anlage in Hinwil exzellent, eine der besten, wenn nicht die beste überhaupt. Allerdings hat die Personalkapazität früher nur zu einem
Einschichtbetrieb gereicht. Die Top-Teams nutzen ihre Anlagen rund um
die Uhr, das ist Standard. Seit Jänner sind wir immerhin in der Lage,
in zwei Schichten zu arbeiten. Bis Jahresende soll auch bei uns der
Drei-Schicht-Betrieb Realität sein. Die Steigerung des
Entwicklungstempos trägt Früchte. Wir haben uns vorgenommen, zu jedem GP Verbesserungen in Form von erprobten Neuteilen parat zu haben. Das gelingt uns fast immer."
Wie steht es um Zielvorgaben für die zweite Saisonhälfte 2006?
Theissen: "Wir hatten uns für unser Debütjahr vorgenommen, den
Rückstand von 1,5 Sekunden pro Runde, den die Sauber-Fahrzeuge 2005
auf die Spitze hatten, zu halbieren und den achten Platz der
Konstrukteurs-WM zu verbessern. Das bleiben unsere Ziele für 2006.
Wir liegen gut auf Kurs, sie zu erreichen."
Das BMW Sauber F1 Team liegt derzeit auf Rang fünf in der
Konstrukteurs-WM, ist jetzt sogar noch der vierte Platz in
Reichweite?
Theissen: "Wir sollten die Kirche im Dorf lassen. Natürlich
orientiert man sich immer an den Teams, die vor einem liegen und
schaut nicht zurück. Aber wenn wir Platz fünf bis zum Saisonende
verteidigen können, haben wir ein erstes Etappenziel erreicht."
Wie beurteilen Sie das Kräfteverhältnis in der Formel-1-Saison 2006 generell?
Theissen: "Wir haben eine Situation, die so noch nie da war. Teams
und Autos sind sehr ausgeglichen und liegen extrem dicht beieinander.
Mich überrascht diese Leistungsdichte. Niemand kann sich sicher
fühlen, den letzten Durchgang des Qualifyings zu erreichen. Alle
Teams müssen sich darauf einstellen, dass der Kampf um die Top Ten
sehr interessant bleibt."