Karl Kilburg, Europa-Chef der größten-US Hotelkette Marriott. Der Hotelgigant will sein Stück vom Kuchen vervierfachen.

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Wien – „Wir werden uns sicher jede Hotelkette und jedes große Haus, das in Europa als Übernahmekandidat auf den Markt kommt, genau ansehen. Hier in Wien wäre etwa auch ein schönes Palais für unsere Marke Ritz Carlton interessant“, skizziert Karl Kilburg, oberster Marriott-Chef für Mitteleuropa im Exklusivgespräch, mit dem Standard Expansionsoptionen des US-Hotelgiganten.

Derzeit sei die Zeit für Investitionen in Europa äußerst gut, so Kilburg. Dies hätten auch US-Banken wie Goldman & Sachs oder Blackstone erkannt. Allein Letztere habe sich etwa neben Frankfurt, auch in Prag, Brüssel und Stockholm eingekauft. Der Marriott-Konzern, der in den USA als Branchenprimus acht Prozent aller Hotelbetten stellt, hält in Europa derzeit ein Prozent des Marktes und will diesen Anteil bis 2015 auf vier Prozent und damit auf rund 400 Häuser aufstocken.´

Boom im internationalen Tourismus

Seine ambitionierten Pläne begründet Kilburg mit einem in den nächsten Jahren zu erwartenden Boom im internationalen Tourismus. Vor allem aus Asien, und dabei im besonderen aus China und Indien werde es, parallel zum dortigen rapiden Wirtschaftswachstum, zunehmende Touristenströme geben. So werde die Zahl der chinesischen Urlauber die der japanischen Touristen bis 2010 bereits überholt haben, prognostiziert er. Das Gros der asiatischen Europabesucher werde dann vor allem Städtereisen machen. Gleichzeitig bezeichnet der Touristiker aber auch China und Indien selbst als wegen seiner immensen Größe besonders wichtigen Hotelmarkt. Kilburg: „Marriott hat derzeit 29 Häuser in China und sieben in Indien. Eine Obergrenze gibt es in beiden Märkten faktisch nicht.“

40 neue Hotelstandorte

Am prognostizierten Boom in Europa mitnaschen will Marriott mit derzeit „13 konkret in Planung befindlichen Häusern.“ Insgesamt wird derzeit über 40 neue Hotelstandorte verhandelt. Dort sollen dann vor allem qualitativ hochwertige Mittelklasse-Häuser stehen. Die würden die besten Ergebnisse bringen. Hotels mit weniger Qualitätsanspruch seien nämlich „schon allein wegen der hohen europäischen Baukosten“ unrentabel.

Der Fokus der Expansionsbestrebungen wird auf Russland und Südeuropa liegen. In Russland hat sich die Hotelkette bereits mit sieben Häuser in großen Städten positioniert, jetzt will man sich als nächsten Schritt auf kleinere Cities konzentrieren. Außerdem will man sich verstärkt in Spanien und in Italien, dem wegen seiner hohen „Bettendichte“ größten europäischen Hotelmarkt, nach geeigneten Projekten für Übernahmen oder Neubauten umsehen. Dabei soll jedes Vehikel, von Managementverträgen bis hin zum eher ungeliebten Franchise, genutzt werden.

Ritz Carlton an der Wiener Ringstraße

In Österreich werden neue Marriott-Hotels künftig vor allem „in Salzburg, Innsbruck und in Wien stehen.“ So werde derzeit auch über ein erstes Ritz Carlton an der Wiener Ringstraße verhandelt, heißt es. Und erst gestern wurde in Wien-Schönbrunn das unter der Marke „Courtyard“ firmierende vierte Haus in der Bundeshauptstadt eröffnet. Geht es nach dem internationalen Hotelmanager wird sich die Gesamtzahl der österreichischen Betriebe „bis 2015 auf 14 verdoppelt haben.“ Dort werden dann auch wieder mehr US-Touristen einchecken. „Denn“, so Kilburg, „nach dem Schock von 9/11 und den Londoner Terroranschlägen reisen jene Amerikaner, die einen Reisepass besitzen, jetzt wieder.“

Weltweit sind zwölf Marken unter dem Marriott-Dach. In Europa ist man mit fünf, in Österreich mit drei Marken (Marriot, Renaissance, Court-yard) präsent. In insgesamt 2800 Häusern (in 67 Ländern) wurde 2005 ein Umsatz von 9,2 Mrd. Euro (Österreich: 65 Mio. Euro) erzielt. Für heuer rechnet Kilburg in Europa mit einem Plus von rund sechs Prozent. (Monika Bachhofer, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23.6.2006)