Bild nicht mehr verfügbar.

Das Team steht für sein Land gerade, und das Land steht hinter seinem Team. Zu den ersten beiden Spielen reisten 90.000 Fans an. Eine baldige Heimkehr soll nicht auf dem Spielplan stehen.

Foto: APA/ Schmidt
Die Frucht ist reif, sie muss nur noch gepflückt werden. Und die Schweizer sind bereit zur Ernte, die für heute, Freitag, in Hannover anberaumt ist. Ein Punkt gegen Südkorea genügt zum Überstehen der Vorrunde. "Wir wollen immer gewinnen. Aber wenn das Spiel unentschieden endet, bin ich auch sehr, sehr glücklich", sagte Teamchef Jakob "Köbi" Kuhn (62) bescheiden.

Bei ihrer letzten WM, 1994 in den USA, hat die "Nati" die Vorrunde überstanden. Bei der EM 2004 hat es nicht gereicht, obwohl in Portugal schon jene Generation am Werk war, die nach Einschätzung von Coach Kuhn das Zeug dazu hat, in zwei Jahren, bei der Heim-EM mit Österreich, bis ins (Wiener) Finale vorzudringen. Kollege Josef Hickersberger wäre schon mit dem EM-Viertelfinale hochzufrieden, aber Österreichs Auswahlkick hinkt dem der Eidgenossen um Jahre hinterher.

Für den Vorsprung ist in zweiter Linie Kuhn, der gegen Südkorea zum 50. Mal auf der Bank sitzt, in erster Linie aber Hansruedi Hasler verantwortlich. Der 55-jährige Erziehungswissenschafter war selbst 20 Jahre Profi und ist seit 1. Jänner 1995 der allererste Technische Direktor des Schweizer Fußballverbandes. Sein Aufgabengebiet: Nachwuchsförderung.

Nach halbjährigem Studium erfolgreicher Modelle, etwa in Frankreich und Dänemark und beim damals noch erfolgreichen Schweizer Skiverband, hatte Hasler sein eigenes System fertig, dessen Basis vier regionale Leistungszentren bilden, in denen Talente ab 13 Jahren zusammengezogen werden und eine zweijährige Grundausbildung genießen. Die zur Verfügung stehenden Mittel - die Hälfte der rund 2,1 Millionen Euro, die Verbandshauptsponsor Credit Suisse jährlich springen lässt, gehen in die Nachwuchsarbeit - werden konzentriert eingesetzt. Unter Hasler hat sich die Zahl der hauptberuflichen Nachwuchstrainer im Schweizer Fußball von vier auf mehr als 60 erhöht, im Verband sind zehn tätig.

Einfache Philosophie

Hasler verpasste allen Auswahlen eine einheitliche Spielphilosophie, deren Eckpfeiler durch die schönen Sätze "Wir spielen dynamisch", "Wir spielen offensiv", "Wir spielen in der Zone" beschrieben werden. Um Talente wird offensiv geworben. So gab es eine eigene Aktion, um Auslandsschweizer zu motivieren. 200 aus aller Welt haben sich gemeldet. "Sechzig Prozent der jugendlichen Fußballer sind ohnehin Ausländer", sagt Hasler. Sie würden durch die Arbeit des Verbandes mehr oder weniger problemlos integriert. "Dafür müsste der Staat eigentlich bezahlen."

Goldene Generation

Erste zählbare sportliche Erfolge erbrachte das "System Hasler" im Jahr 2002, als die Unter-17-Auswahl der Schweiz in Dänemark Europameister werden konnte. Im Finale gegen Frankreich geigten Spieler wie Tranquillo Barnetta oder Philippe Senderos, die jetzt unter Kuhn bei der WM das Achtelfinale nur als Etappenziel sehen wollen. Die Schweiz stellt nach Ghana das zweitjüngste Team der WM, unter den 40 vom Weltverband FIFA für den Titel "bester Nachwuchsspieler der WM" zur Wahl gestellten Spielern sind fünf Schweizer.

Mächtige Euphorie

Ursprünglich waren es sechs, aber Salzburgs Neuerwerbung Johan Vonlanthen wurde wegen einer Verletzung nicht nach Deutschland mitgenommen. Der in Kolumbien geborene, inzwischen 20-jährige Stürmer, der 2004 im letzten Vorrundenspiel der Schweizer gegen Frankreich (1:3) als jüngster Spieler aller bisherigen EM-Zeiten ins Tor getroffen hatte, ist ob seiner Ausbootung heute noch sauer. Vonlanthen bestand darauf, fit zu sein, die Verbandsärzte bestanden darauf, dass er zu Hause bleiben müsse. Vonlanthen rebellierte öffentlich und wurde dafür vom Schweizer Boulevard heftig abgewatscht.

Die Eidgenossen sind nämlich in die "Nati" und ihren Trainer ganz vernarrt. Die ersten beiden WM-Spiele ließen die Zuneigung nur noch inniger werden. Leiberln mit der Aufschrift "Ich bin auch ein Köbi" finden reißenden Absatz. Man schwärmt von der in Deutschland entfesselten Swiss Power, bis zu 80 Prozent der selbstbestimmten Bevölkerung verfolgt ihr Wüten im Fernsehen, zu den ersten beiden Spielen reisten rund 90.000 Fans an. Die baldige Heimkehr ist nicht eingeplant. (DER STANDARD, Printausgabe, Freitag, 23. Juni 2006)