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Überforderter Poll.

Foto: Reuters/Popov
Stuttgart - Graham Poll wird das Match Kroatien-Australien (2:2) als sein schlechtestes WM-Erlebnis in Erinnerung behalten - und zugleich wohl als sein letztes. Denn für den renommierten englischen Schiedsrichter dürfte die Fußball-WM in Deutschland nach einem in der WM-Geschichte einmaligen Lapsus wohl zu Ende sein.

Nicht genug damit, dass er Australien zwei offensichtliche Elfmeter verweigert hatte, dafür aber Australiens entscheidenden Ausgleich zum 2:2 trotz Abseits zuließ. In der 90. Minute verlor Poll - für einen Referee mit dieser Erfahrung und dieser Reputation unverständlich - aber völlig die Übersicht: Er verwarnte den kroatischen Verteidiger Josip Simunic zum zweiten Mal in diesem Spiel und hätte ihn folgerichtig vom Platz stellen müssen. Simunic durfte jedoch weitere drei Minuten in der hektischen Schlussphase auf dem Platz bleiben, ehe er sich mit dem Abpfiff wegen Reklamierens auch noch eine dritte Gelbe Karte, dieses Mal begleitet von der Roten, einhandelte.

Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn die Kroaten in der Nachspielzeit das Siegestor erzielt hätten, möglicherweise noch erzielt oder vorbereitet von Simunic. In einer ganz konkreten Szene in der 91. Minute fehlte sehr wenig dazu.

Die FIFA trug dem schlimmen Fehler ihres Schiedsrichters im offiziellen Matchreport Rechnung. In der ersten Version unter www.fifaworldcup.com wurden bei Spielschluss Gelbe Karten gegen Simunic in der 62., 90. und der 93. Minute (plus Gelb-Rot) ausgewiesen. Wenig später folgte eine angepasste Fassung mit Verwarnungen nur noch in der 61. und in der 93. Minute (plus Gelb-Rot). Die zweite Verwarnung, die Millionen von TV-Zuschauern bezeugen könnten, wird für immer aus den Statistiken gelöscht.

FIFA-Präsident Joseph Blatter war über Polls Blackout entsetzt: "So ein Fehler darf nicht vorkommen. Das kann man nicht verzeihen." Blatter machte trotz diplomatischer Worte kein Hehl daraus, dass er Poll nicht mehr im Einsatz sehen möchte. "Ich denke, dass die Schiedsrichter-Kommission so viel Fingerspitzengefühl hat, um eine richtige Entscheidung zu treffen." Englands Superstar David Beckham, der Poll freilich sehr gut kennt, verteidigte den Referee: "Er ist ein Spitzenschiedsrichter, einer der besten in England. Aber jeder macht einmal Fehler."

Der Vorfall wird als regeltechnischer Fehler gewertet. "Kroatien hätte sogar eine Neuansetzung verlangen können. Da während des Spiels aber kein Protest eingelegt wurde, zählt das Ergebnis", sagte FIFA-Mediendirektor Markus Siegler. Wenn sie das Match in der Nachspielzeit noch verloren hätten, so hätten die Australier ihrerseits Protest eingelegt. Da der WM-Terminplan keine Entscheidungs- oder Wiederholungsspiele zulässt, hätte sich die FIFA in einer schier ausweglosen Lage befunden. Davon ist sie - mit Glück - verschont geblieben.(APA/SIZ)