Für heftige Sprüche war das Thema schon oftmals gut. Bei einer STANDARD-Debatte zu Wahlkampfbeginn näherten sich Politiker und Experten der heiklen Frage der Integration kontroversiell, aber sachlich an.

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Böse - sprich: illegalisierte - Ausländer wegschicken und gute - sprich: leicht integrierbare - herholen: Eine Mehrheit der Österreicher stehe einem solchen Migrations-Tauschgeschäft "mit Konsens" gegenüber , vermutete Justizministerin Karin Gastinger (B) Donnerstagabend bei der Standard-Debatte "Gute Ausländer - böse Ausländer. Integrations-Defizite und ihre Auswirkungen auf den Wahlkampf".

Daher - so antwortete Gastinger auf eine Frage der Moderatorin, Standard-Innenpolitik-Redakteurin Eva Linsinger - bestehe auch BZÖ-intern kein Widerspruch zwischen Abschiebeforderungen für langzeitarbeitslose Nicht-Österreicher à la Peter Westenthaler und einem "Modell für geordnete Zuwanderung nach kanadischem Vorbild", wie sie selber es vertrete: Nicht der einzige mentale - und politische - Spagat, der sich bei der meteorologisch wie atmosphärisch hitzigen Diskussion zur Überdehnung auswuchs.

Integrationsbereitschaft setze "das Gefühl voraus, im Aufnahmeland willkommen zu sein", erinnerte sich da zum Beispiel die Wiener Grünen-Klubobfrau - und gebürtige Griechin - Maria Vassilakou an ihre eigenen Österreích-Anfänge vor 20 Jahren. Doch diese Emotion entfalte sich nur, wenn der Einwanderer die Frage "Habe ich Chancen auf Erfolg?"für sich mit Ja beantworten könne.

Einem solchen Ja wiederum - so Vassilakou - widersetzten sich die heimischen Einwanderungs-Realitäten krass. Besonders dort, wo Visa verlangt würden und Niederlassungsbewilligungen Vorausssetzung für ein Verbleiben im Land seien: "Eine Österreicherin nigerianischer Herkunft bringt Fünflinge zur Welt, sie und ihr Mann wissen sich allein nicht zu helfen. Die Großmutter aus Nigeria ist bereit, die Babys mit zu betreuen - doch nach acht Monaten Touristenvisum ist ihr Verbleib auf legalem Weg nur durch Rückreise nach Nigeria und neuerlichen Visumsantrag von dort aus zu bewerkstelligen", erzählte die Rathauspolitikerin von einem "vielleicht tragikomischen, aber nicht untypischen Fall".

"Humanitär" lösen

Für diesen gebe es in Einzelprüfung wohl "eine humanitäre Lösung", wich Innenministerin Liese Prokop (ÖVP) Vassilakous Kritik an den Gesetzen aus. Während ihr andere geschilderte Härten den Kommentar "Das beruht auf Fehlinformation"abrangen: Etwa die Befürchtung des Integrationsbeauftragten der Islamischen Glaubensgemeinschaft und Wiener SP-Gemeinderat Omar Al-Rawi , das seit Jahresbeginn 2006 als Bedingung für den Aufenthalt eines nicht-österreichischen Angehörigen verlangte Mindesteinkommen von 1056 Euro könne dazu führen, dass bereits länger in Österreich ansässige Familien ihr Recht auf Da-Sein verlieren könnten.

An einem Punkt wie diesem würden die "Barrieren"sichtbar, die sich der Integration in Österreich von Seiten der Mehrheitsgesellschaft entgegensetzten, sagte Al-Rawi; Kategorisierungen wie sie die Muslimenstudie des Innenminsteriums vornähmen, seine zusätzlich von Schaden: "Die Kunst, die richtigen Fragen zu stellen, ist die halbe Antwort", berief er sich auf ein arabisches Sprichwort.

Dieser Weisheit aus dem Morgenland konnte sich Hilde Weiss, Professorin für Soziologe an der Universität Wien, durchaus anschließen: Im Unterschied zu der ministeriellen Muslimen-Untersuchung habe ihre "Befragung über die Einstellungen von Einwandererkindern der zweiten Generation"die Bereitschaft ans Tageslicht gebracht, sich zum Teil auch unter widrigen Umständen in Österreich anzupassen.

"Verfestigungen"

Natürlich - so Weiss - hätten sich auch hier zu Lande bereits "negative Verfestigungen"ergeben. Etwa, wenn "ein Drittel aller Kinder von Einwanderen mit Hilfsarbeiterjobs die Pflichtschule abbrechen". Doch der Kampf gegen Einwanderer-Benachteiligung und Gettoisierung habe gerade erst begonnen: "Die gewaltige Aufgabe der Integration wird uns die kommenden Jahrzehnte über begleiten".

Pauschalrezepte nämlich gebe es keine: Ein Punkte-Einwanderungsmodell, um qualifizierte Neo-Österreicher ins Land zu holen - wie es die Grünen lanciert, das BZÖ aufgegriffen hat - werde etwa "den Immigrationsdruck der verarmten Massen nach Europa nicht stoppen". Gegen Xenophobie und chronische Integrationshemmnisse hingegen könnten "best practice"-Modelle helfen, wie sie ein Debattenteilnehmer aus dem Publikum vorschlug. Etwa "Patenschaften von Österreichern für Einwanderer". (DER STANDARD, Printausgabe, 24.6.2006)