Der Verzicht des geschäftsführenden ÖGB-Präsidenten darauf, auch in den Nationalrat einzuziehen, ist in Ordnung. Und es wäre sogar eine bemerkenswerte Nachricht gewesen, wenn er sie von sich aus hätte überbringen können. Auch die Festlegung einer Einkommensobergrenze, wie sie bereits kraft Gesetzes für die gewählten Arbeiterkammerfunktionäre gilt, ist auch in Ordnung, ändert aber nicht viel. Der Verkauf der bisherigen ÖGB-Zentrale hat mit der notwendigen Reform nichts zu tun, sondern ist ausschließlich ein notwendiger Schritt zur Reduktion der Schulden. Leider. Er hätte mehr sein können. Dann nämlich, wenn das zugleich ein bewusster Schritt der Zusammenführung der Teile des ÖGB zu einem sinnvollen Ganzen gewesen wäre. Da scheint sich allerdings der Egoismus der Teile auch gestern wieder durchgesetzt zu haben. Ähnlich wie in den letzten zwanzig Jahren.

Darf man fragen, welchen tieferen inneren Sinn es hat, wenn die neuen Angestellten der Universitäten von der Gewerkschaft öffentlicher Dienst, die Angestellten aller anderen Forschungseinrichtungen jedoch von der GPA vertreten werden? Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Hier ist es offensichtlich der GÖD gelungen, ihr Interesse an sich selbst gegen den Gesichtspunkt der gemeinsamen Vertretung all derer, die dieselben Interessen haben, durchzusetzen. Oder welchen Sinn macht es, wenn Textilgewerkschaft und Metallgewerkschaft zusammengehen? Darf man fragen, ob es nicht sinnvoll wäre, alle Handelsbediensteten würden gemeinsam betreut? Heute teils GPA, teils HTV, morgen teils durch die fusionierten Eisenbahner-, Transportarbeiter- und Gastgewerbegewerkschaft und die GPA. Wobei die Fusion der Transportarbeitergewerkschaft mit der Eisenbahnergewerkschaft ein geradezu historischer Schritt in die richtige Richtung ist. Oder welchen Sinn macht es, wenn die Telekommitarbeiter in den neueren Unternehmen von der GPA, die der Telekom Austria von der Postgewerkschaft vertreten werden?

Bei allem Verständnis für gewachsene Beziehungsstrukturen muss doch eines im Vordergrund stehen: optimale Mitgliederbetreuung. Und dafür sind Gewerkschaftsfusionen entlang der Zu- bzw. Abneigung ihrer Spitzen nicht die Lösung. Gerade in Zeiten raschen Strukturwandels – in der Wirtschaft und im Bereich bisher öffentlich wahrgenommener, dann ausgegliederter, später allenfalls privatisierter Aktivitäten – braucht es Betreuungsstrukturen, die rasch und ohne großen Aufwand an die geänderten Verhältnisse angepasst werden können. Und da wäre die Überwindung der heutigen Grenzen zwischen den Teilgewerkschaften zugunsten einer Einheitsgewerkschaft wesentlich zweckmäßiger. Hinzu kommt, dass auch die Wahrnehmung der Gewerkschaftsaufgaben auf europäischer Ebene nicht nur immer wichtiger wird, sondern auch eine starke Vertretung braucht. Wie stark aber können da Einzelgewerkschaften sein?

Könnte man nicht wenigstens jetzt, angesichts des wirtschaftlichen Desasters, Strukturen geschaffen werden, die optimal an den Betreuungserfordernissen orientiert sind? Daher der Vorschlag: nehmt professionelle externe Beratung in Anspruch. Definiert die Herausforderung für Betreuung und Interessenvertretung und baut entlang dieser Anforderungen einen starken, einigen ÖGB. Den brauchen sehr viele Menschen heute dringender denn je!