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Siemens-Chef Klaus Kleinfeld

Foto: AP/Endlicher
Informationstechnologie und Kommunikationstechnik hat Konzernchef Klaus Kleinfeld bereits gestrichen. Jetzt interessieren ihn nur mehr Energie, Gesundheitswesen, Automatisierung & Infrastruktur. Das freilich ist als Konzernstrategie nicht neu, denn Gaskraftwerke, Produktionsanlagen, Computertomographen und Lokomotiven sind trotz konjunktureller Schwankungen seit Jahren verlässliche Ergebnisbringer des bayerischen Elektromultis. Neu ist die Verpackung: Jetzt heißen die Staatsaufträge, die Kleinfeld in seine Bücher bekommen will, "Megacities und Urbanisierung", "Überalterung und demographischer Wandel".

Fakt ist, dass der Trend zur Großstadtbildung einen effizienteren Umgang mit knappen Ressourcen wie Wasser und Energie ebenso notwendig macht wie neue Verkehrssysteme. Außerdem kumuliert sich das Wirtschaftswachstum in den Metropolen; in Tokio beispielsweise werden bereits jetzt 40 Prozent des japanischen Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet.

Für diese Herausforderungen sieht sich Siemens nach Zukäufen wie US Filter (Wasser), Bonus Energy (Windkraft), Flender (Getriebe), CTI Molecular Imaging und Diagnostic Products (beide Medizintechnik) gut aufgestellt. Mit 5,2 Milliarden Euro oder 6,8 Prozent des Umsatzes an Forschungsausgaben werde man auch Kommendes meistern, schließlich brauchen Länder und Kommunen effiziente Strom- Verkehrs-, Gesundheits- und Abwassersysteme. Sie will Siemens mit maßgeschneiderten Gesamtlösungen beliefern und dabei als führendes Unternehmen "Innovationsprämien kassieren", wie es Kleinfeld formulierte.

Telekom-Trennung als "Riesenchance"

Die Trennung vom milliardenschweren Kerngeschäft Telekom (die Handys wurden bereits an Benq verkauft) sieht Kleinfeld keineswegs als industrielle Bankrotterklärung, wie langgediente Siemensianer kritisieren. Dies sei eine "Riesenchance, in eine tolle Führungsposition zu kommen, einen neuen Titanen zu schaffen". Die Entscheidung, die industrielle Führung Nokia zu überlassen, sei erstens kein Nachteil, denn man habe sich den Zugang zur Technologie ja gesichert, und für Siemens nicht so schwierig gewesen. "Für uns war es eines von 95 Geschäftsfeldern, für Nokia eines von zwei". Ab Jänner 2007 habe der Konzern statt zwölf eben nur mehr zehn Sparten, aber die Organisation des 75-Milliarden-Umsatz-Kolosses sei ohnehin ständig im Wandel.

"Sehr gute Chancen" auf Realisierung hat laut Kleinfeld das Ziel, mindestens doppelt so schnell wie die Weltwirtschaft zu wachsen. Alle Geschäftsbereiche müssen eine Gewinnmarge zwischen acht bis elf Prozent des Umsatzes vorweisen. Was für Medizintechnik und Automatisierung kein Problem sein sollte, ist im Kraftwerksbau (Power Generation) mühsamer. Sicher nicht schaffen wird diese Hürde der IT-Dienstleister SBS, man sei bei der Sanierung aber besser unterwegs als erwartet. Dass SBS bis Jahresende verkauft wird, bestreitet Kleinfeld. (Luise Ungerboeck aus Berlin, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28.6.2006)