Anne Østergaard vom GNOME Board of Directors bei ihrem Vortrag im Rahmen der GUADEC 2006

Foto: Andreas Proschofsky / derStandard.at
Im Rahmen der GNOME-Konferenz GUADEC hat Anne Østergaard, Mitglied des Board of Directors für den Linux Desktop, eine Studie zum Thema Frauenanteil im Open Source-Bereich präsentiert, und aktive Maßnahmen zum Aufbrechen der Männerdominanz gefordert. Denn wie bereits eine frühere Untersuchung gezeigt hat, sind Frauen im Open Source-Umfeld auch im Vergleich zum ohnehin schon männerdominierten "normalen" IT-Bereich noch deutlich unterrepräsentiert.

Unterschiede

Während im Bereich der proprietären Software rund 28 Prozent der Community-Mitglieder weiblichen Geschlechts sind, sind es im Bereich der freien Software gerade einmal 1,5 Prozent. Der FLOSSPOLS-Report hat sich nun der Frage angenommen, welche Faktoren das Entstehen eines solch starken Unterschieds ermöglicht haben. Die Autoren kommen dabei zu dem Schluss, dass Frauen nicht generell uninteressiert am Open Source-Bereich sind, sondern zwar meist unabsichtlich aber aktiv ausgeschlossen werden.

Bugs oder Groupies?

Schuld daran sind eine Reihe von Faktoren, so werden Frauen meist nicht als gleichwertig wahrgenommen, sie bekommen eher Anerkennung für ihre Geschlecht als für ihre jeweiligen Fähigkeiten. Es dauere auch wesentlich länger bis sie sich den nötigen Respekt verschaffen könnten. Østergaard warf in diesem Zusammenhang vor den versammelten GNOME-EntwicklerInnen die bewusst provokante Frage auf, ob Frauen "eher als Bugs oder als Groupies wahrgenommen werden."

Kultur

Ein Problem sei auch die Fixierung auf den "Hacker-Mythos", Ansehen erlangen nur die, die möglichst flott möglichst guten Code produzieren, andere Fähigkeiten - die für die Community aber ebenso wichtig sind - werden hingegen wesentlich weniger anerkannt. Dazu kommt natürlich auch noch die Ebene der offenen Belästigung, wie sie in vielen Online-Foren und -Chats leider noch immer Gang und Gäbe sei. Aufgrund der geringen Frauenanzahl würden die wenigen, die als solche erkennbar sind immer wieder mit eindeutigen Angeboten überhäuft, ein Umstand, der schnell zu einem Rückzug aus diesen Kreisen führt.

Auswirkungen

Ein generelles gesellschaftliches Problem, das sich im Bereich der freien Software besonders negativ auswirkt, sei, dass Männer oft wesentlich stärker von ihren Fähigkeiten überzeugt sind und aggressiver auf Tätigkeiten zugehen würden. So würden diese wesentlich schneller "Ich kann das" schreien, selbst wenn sie nur begrenzt Ahnung von der Materie haben, während Frauen hingegen eher kritisch ihrem Können gegenüberstehen.. Das führe in einer Community, in der es meist keine fixe Einteilung der zu erledigenden Tasks gibt, dazu, dass Männer die Arbeit an sich reißen. Dies hat wiederum auf Dauer zur Folge, dass viele Frauen sich von vorneherein gleich gar nicht mehr an "gemischten" Projekten beteiligen würden.

Beispielhaft

Wie festgefahren solche Muster bereits sind, demonstriert auch eindrücklich das unlängst gelaunchte Women's Summer Outreach Programm (WSOP). Während sich unter den mehr als 180 Vorschlägen für die GNOME-Projekte im Rahmen von Googles Summer of Code (SoC) kein einziger von einer Frau befunden habe, erweise sich nun das WSOP als großer Erfolg, wie Østergaard im Gespräch mit dem WebStandard berichtet. Auch wenn die Einreichfrist zum Zeitpunkt des Interviews noch nicht abgeschlossen war, so zeichnet sich doch ab, dass es eine ähnliche hohe Anzahl - und Qualität - an Bewerbungen geben werde, wie beim SoC. Dies obwohl es das WSOP nicht nur deutlich weniger Projekte zu vergeben sondern auch ein niedrigeres Preisgeld zu bieten hat.

Einflüsse

Auch wenn die Open Source-Community sich vor allem auf die Entwicklung von Software konzentriert, so könne sie nicht einfach gesellschaftliche Probleme ausblenden, sondern müsse sie identifizieren und aktiv bekämpfen, fordert Østergaard. Der Frauenanteil wachse zwar langsam, bis er allerdings zumindest 30 Prozent erreicht hat, müsse es aktive Maßnahmen zur Frauenförderung geben. Konkret würden sich dazu einige Dinge anbieten, die eine Änderung der männerdominierten Free Software-Kultur ermöglichen sollen.

Maßnahmen

Dazu gehören etwa - ähnlich wie das Women's Summer Outreach Programm - Wettbewerbe ausschließlich für Frauen, die Förderung von Frauen als Rednerinnen bei Konferenzen und die Schaffung von Role Models, an denen sich andere Frauen orientieren könnten. Auch die Kreierung eines Verhaltenskodex könnte angedacht werden. An der Umsetzung dieser Maßnahmen sollten eigentlich alle interessiert sein: "Eine offenere Kultur ist schlussendlich für alle Beteiligten besser als eine reine Männer-Kultur", zeigt sich Østergaard abschließend überzeugt. (apo)