"WM-freien Zone" ATV.

Foto: ATV
Wie schnell und wie sehr der Mensch zum Gewohnheitstier wird, erwies sich am Mittwochabend.

Der erste spielfreie Tag der Fußball-WM – und schon findet man sich in einer veritablen Sinnkrise wieder: Nach mehrfachem Durchzappen aller Kanäle – Was!!! Das gibt's ja nicht!!! – sowie der Absicherung dieses Entsetzens durch sämtliche Programmzeitungen stellte sich die Frage: Was nun?

Die Namen der Kinder memorieren und mit ihnen etwas unternehmen? Zum Beispiel Fußball spielen? Ach, das waren ja Töchter! Die geleerten Bierdosen^paletten entsorgen? Einmal im Atlas schauen, wo dieses bei der WM oft besprochene Ghana eigentlich genau liegt? Robert Seeger einen Seherbrief schreiben und ihm darin den Unterschied zwischen Leipzig und Leibnitz erläutern? Duschen? Rasieren? In dieser verwirrenden Minute dann der Geistesblitz!

Hatte sich nicht ATV für die Zeit der WM vollmundig zur "WM-freien Zone" erklärt und mit einem ganz besonderem Alternativprogramm geprahlt? Von wegen klasse Spielfilme und so? Ja, hatte es. Aber ein Blick ins Programm erhöhte bloß die Lufttemperatur: "Bauer sucht Frau".

Das von ATV beworbene Alternativprogramm wird offenbar und blöderweise punktgenau eingesetzt. Also nur während der Tage, in denen der ORF tatsächlich die WM überträgt. Ansonsten scheint man keine Alternative zum ORF sein zu wollen.

Bitte liebes ATV: Wenn WM ist, brauch ich kein Alternativprogramm dazu. Ich bräuchte eines, wenn der Ball ruht! (flu/DER STANDARD, Printausgabe, 30.6.2006)