Eine fristlose Entlassung von Nahverkehrschefin Wilhelmine Goldmann galt am Dienstag in Aufsichtsratskreisen zwar als nicht ausgeschlossen, wohl aber als sehr unwahrscheinlich. Dem Vernehmen nach muss sich Goldmann für ihr Engagement beim gemeinnützigen Verein "Opernwerkstatt Wien" auf eine Verwarnung einstellen.
Frage der Optik
Darauf wollte sich Personenverkehr-Aufsichtsratspräsident Fredmund Malik am Dienstag noch nicht festlegen. Ihm geht es weniger um das Ausmaß des Schadens (Goldmann hat ÖBB-Betriebsmittel wie Telefon, Fax, Kopierer und Arbeitszeit von ÖBB-Mitarbeitern in Anspruch genommen, Anm.), sondern um eine "Prinzipfrage" und um die "Optik nach innen und außen", wie der Managementberater des Managementzentrums St. Gallen von der APA zitiert wird.
Bewerten müsse man laut Malik sowohl rechtliche Aspekte als auch die Einhaltung der Unternehmensführungsregeln (Corporate Governance). Da die ÖBB nach wie vor von öffentlichen Geldern abhängig sei, in den nächsten Jahren tausende Stellen abbauen und überall sparen müsse, müsse der Vorstand ein "uneingeschränktes Vorbild" sein. Vom Vorstand erwarte man, dass er "persönliche Ziele hintanstellt und sich hundert Prozent in den Dienst der Sache stellt".
Dem stimmen zahlreiche ÖBB-Aufsichtsräte zu. Angesichts der Tatsache, dass sich Goldmann nicht persönlich bereichert, sondern einen gemeinnützigen Kulturverein unterstützt habe, halten sie derart strenge Maßstäbe allerdings für unverhältnismäßig. Vor allem eine fristlose Entlassung stößt auf Widerstand. Offiziell zu Wort melden wollte sich dazu am Dienstag freilich niemand.
"Das ist ja lächerlich"
Oskar Grünwald, langjähriger ÖIAG-Chef und OMV-Aufsichtsratspräsident schon. Er regt an, im Sinne der Fairness auch gleich die private Wertpapierdisposition, die nicht wenige Vorstände von ihren Mitarbeitern durchführen ließen, als Entlassungsgrund zu werten. Bei der vorzeitigen Ablöse von ÖBB-General Rüdiger vorm Walde habe Geld keine Rolle gespielt, beim privaten Kulturengagement, das der Öffentlichkeit diene und kulturpolitisch wichtig sei, auf einmal schon. "Das ist ja lächerlich", sagte Grünwald im STANDARD-Gespräch. Er erinnerte an Margarete Ottilinger, der Wien die Wotruba-Kirche verdanke. Sie habe dafür auch vom Büro aus telefoniert.
Ausgerückt sind am Dienstag auch Wiens Bürgermeister Michael Häupl und Verkehrsstadtrat Rudolf Schicker. "Notenblätter zu kopieren, scheint mir nicht so großartig verwerflich zu sein für ein Vorstandsmitglied", sagte der Bürgermeister. "Wenn sonst nichts ist, verstehe ich die Sache nicht." Er habe Goldmann als "sehr ordentliche Fachfrau" kennen gelernt. Sollte die ÖBB-Spitze in dieser Hinsicht anderer Meinung sein, sollte dies offen gesagt werden, betonte Häupl.