Der neueste Vorstoß der EU-Kommissarin zur Zerschlagung der Telekom-Unternehmen erntet harsche Kritik in den internationalen Medien. "Sie liebt es, Atombomben zu werfen. Niemand versteht, was die Kommissarin will, sie schafft Verwirrung", heißt es in der Financial Times. Und das Wall Street Journal schließt mit: "Ihr regulatorischer Übereifer macht die Sache noch schlimmer."

Der Hintergrund: Frau Viviane Reding ist über die deutsche Bundesregierung empört. Diese möchte per Gesetz die Voraussetzungen schaffen, dass die Deutsche Telekom einen begrenzten Regulierungsfreiraum für ein neues Netz erhält. Die Argumentation: Ein neues Netz birgt aufgrund der hohen Investitionen ein hohes Risiko, dieses soll durch eine zeitlich begrenzte Regulierungsfreiheit abgefedert werden. Da dies in Europa Schule machen könnte, droht Frau Reding mit der Zerschlagung aller ehemaligen staatlichen Telekomunternehmen in eine separate Netz- bzw. Servicegesellschaft.

Faktum ist, dass man vor der Liberalisierung der EU-Telekommärkte entschieden hat, den Wettbewerb durch Regulierungsmaßnahmen sicher zu stellen und nicht durch die Aufspaltung der Unternehmen. Der Versuch, das Thema kurz vor Veröffentlichung der Konsultationsdokumente loszutreten, ist von außen nicht nachvollziehbar. Hintergrund für diese Überlegung war, dass eine einzige abgespaltete Infrastrukturgesellschaft, auf die alle zugreifen, keinen Grund hätte zu innovieren. Vielmehr würde sie, wie in der Planwirtschaft, vor sich hin dümpeln.

Preise gesunken

Die Liberalisierung sollte jedoch die vorhandene Infrastruktur aufbrechen und gleichzeitig einen Infrastrukturwettbewerb schaffen. Aus Konsumentensicht hat das gut funktioniert. Die Preise sind rasant gesunken, die Angebote haben ebenso rasant zugenommen. Wesentlich für diese Entwicklung war es, dass es sehr rasch gelungen ist, den Netzzugang für alle Marktteilnehmer zu sichern. Noch bedeutsamer ist es aber, dass ein Plattformen-Wettbewerb entstanden ist. Festnetz, TV-Kabelnetze, Mobilkommunikation, und Funknetze (WIMAX) stehen heute im intensiven und innovativen Wettbewerb zueinander.

Telekom Austria verliert heute wesentlich mehr Telefonminuten an die Mobilkommunikation als an die alternativen Betreiber, die Zugang zur Festnetzinfrastruktur haben. Das gilt auch für das Internet. Die Werbebotschaft von den Handybetreibern ist klar: Mobil ersetzt das Festnetz. Die neue Mobilfunktechnologie HSDPA macht aus jeder Funkverbindung einen Breitbandanschluss.

Daher ist es irrelevant und marktfern vorzurechnen, dass Telekom Austria noch 90 Prozent der Kupferanschlüsse hält, wenn etwa ein Viertel aller Haushalte ausschließlich mobil telefonieren und die Telekom Austria bei Breitband in Wien einen Marktanteil von 19 Prozent hat. Das Festnetz ist eben nur eine von vielen Infrastrukturen. Wenn man den gesamten Telekom-Markt betrachtet, so liegt das Festnetz bei einem Anteil von ca. 20 bis 25 Prozent. Derzeit konzentriert sich jedoch die gesamte Regulierung auf das Festnetz.

Anschluss zu den USA

Die Folge: Die Investitionen der traditionellen Telekomunternehmen haben sich halbiert - in Europa von 101,2 Mrd. € im Jahr 2000 auf 47,5 Mrd. € im Jahr 2004. Den gleichen Trend für Österreich bestätigt eine vor Kurzem veröffentlichte Studie der Arbeiterkammer. Für Frau Reding ist das offensichtlich nicht genug. Nachdem der Wettbewerb jetzt voll eingesetzt hat, brauchen wir - um den Anschluss zu den USA nicht zu verlieren - weniger Regulierung.

In den USA hat man längst erkannt, dass Breitbanddienste sich durch weniger Regulierung besser entwickeln. Trotz des Investitionsrückgangs sind es nach wie vor die traditionellen Telcos, die den weit aus größten Brocken investieren. Frau Reding wäre gut beraten, vom Bürokratismus Abstand zu nehmen und marktwirtschaftlicher Logik Platz zu machen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5.7.2006)