Belgrad/Den Haag - Vor dem UNO-Tribunal für Kriegsverbrechen in Ex-Jugoslawien hat am Montag der Prozess gegen sechs frühere jugoslawische und serbische Spitzenpolitiker und Kommandanten der Sicherheitskräfte wegen der Vertreibung von Kosovo-Albanern im Frühjahr 1999 begonnen. Die Anklage wirft den engen Mitarbeitern des im März verstorbenen jugoslawischen Ex-Präsidenten Slobodan Milosevic Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Verstöße gegen das Kriegsrecht und die Kriegsgepflogenheiten vor.

Auf der Anklagebank befinden sich der ehemalige Präsident Serbiens, Milan Milutinovic (62) und der frühere jugoslawische Vizepremier Nikola Sainovic (58). Verantworten müssen sich auch Generalstabchef Dragoljub Ojdanic (65), der Befehlshaber der für den Kosovo zuständigen Dritten jugoslawischen Armee Nebojsa Pavkovic (60), der einstige Kommandant des Pristina-Korps Vladimir Lazarevic (57) und der Ex-Polizeichef im Kosovo, Sreten Lukic (51).

Vertreibung von Zivilisten

In fünf Anklagepunkten wird ihnen die Verantwortung für Zwangsumsiedlung und Vertreibung von rund 800.000 albanischen Zivilisten, die Ermordung von Hunderten am bewaffneten Kampf nicht beteiligten albanischen und sonstigen Zivilisten, die rücksichtlose Zerstörung von ganzen Siedlungen und religiösen Stätten, aber auch sexuelle Misshandlung albanischer Frauen im Frühjahr 1999 angelastet.

Dieselbe Anklage bezog sich auch auf Milosevic, gegen den in Den Haag allerdings ein separater Prozess geführt wurde, der nach seinem Tod im März dieses Jahres eingestellt wurde. Vor dem UNO-Tribunal werden im Zeugenstand erneut viele Personen erscheinen, die bereits im Prozess gegen Milosevic aussagten. Einer von ihnen dürfte auch der frühere NATO-Oberbefehlshaber in Europa im Frühjahr 1999, der US-General Wesley Clark, sein, meldeten Belgrader Medien.

"Nicht schuldig"

"Die Beweise werden zeigen, dass die sechs Angeklagten Mittäter von Slobodan Milosevic bei einem verbrecherischen Unternehmen waren", sagte Ankläger Thomas Hannis zu Beginn der Verhandlung. Alle Angeklagten plädierten dagegen auf nicht schuldig.

Der Prozess gilt nach dem Tod des serbischen Ex-Präsidenten Slobodan Milosevic als Schlüsselverfahren bei der juristischen Aufarbeitung der Verbrechen während des Kosovo-Kriegs. Viele Beweise ähneln jenen, die bereits im Milosevic-Prozess vorgebracht wurden. Mit Milutinovic sitzen der serbische Ex-Ministerpräsident Nikola Sainovic sowie zwei Ex-Generalsstabschefs und zwei Ex-Generäle auf der Anklagebank.

Der Milosevic-Vertraute Milutinovic war von 1998 bis 2002 Präsident von Serbien. Milosevic war am 11. März dieses Jahres in seiner Zelle im Untersuchungsgefängnis in Den Haag gestorben. So musste der erste Prozess, der unter anderem serbische Verbrechen gegen die Kosovo-Albaner aufrollen sollte, ohne Urteil eingestellt werden. (APA)