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"Seit die Reise bequem geworden ist, führt sie nicht mehr so weit. Sie nimmt mehr häuslich Gewohntes mit und dringt in den Landesbrauch noch weniger ein als früher", schreibt Ernst Bloch in Prinzip Hoffnung. Die Tourismuswirtschaft lebt von solcher Bequemlichkeit. Natürlich gab es immer auch Menschen, die sich von den Verlockungen des einfachen Reisens nicht verführen ließen, die ihre Erfahrungen sammeln und Abenteuer erleben wollten. In den 60er- und 70er-Jahren etablierten sich in den Wohlstandsgesellschaften Gruppen "Alternativer", Rucksacktouristen, die selbstständig und unabhängig durch die Fremde abseits touristischer Infrastruktur zogen. Ihre Reiseberichte und -anleitungen legten den Grundstein für die heute umfangreiche Sparte der Individualreiseführer.

Seit Bernd Tesch 1972 den Afrika-Führer für Selbstfahreroder Tony und Maureen Wheeler 1974 ihren ersten Führer Across Asia on the Cheapauf den Markt brachten (Letztere begründeten damit das Lonely Planet-Imperium), verlangte die stetig wachsende Gemeinde der Auf-eigene-Faust-Reisenden nach immer professionelleren Behelfen. Immer mehr Verlage versuchten, den neuen Markt zu sättigen. Klar, dass die Reiseanleitungen immer breitenverträglicher und kommerzieller wurden.

Heute sind Individualreiseführer längst nicht mehr Sache weniger Alternativ-Reisefreaks. Sie stellen einen Kompromiss zwischen der Sicherheit vielfach begangener Pfade und dem Gefühl von Freiheit dar, das die Vielfalt der Optionen befördert.

--> Zu den Kriterien und Ergebnissen

Die Kriterien

Untersucht wurde die Brauchbarkeit der Reiseführer für preisbewusste, kulturinteressierte Rucksacktouristen ohne Auto, aber mit dem Interesse, sich abseits touristischer Hotspots zu bewegen, anhand einer Reise durch die Mexiko-Bundesstaaten Guerrero, Oaxaca und Chiapas. Auf Detailtiefe, Auswahl an Restaurants und Unterkünften, Vertiefungen in Geschichte und Kultur, Handlichkeit, Übersichtlichkeit und Aktualität wurde in der Bewertung geachtet. Die Anzahl von Stadtplänen und Übersichtskarten (warum umständlich beschreiben, was man abbilden kann?!) und die gelistete Anzahl der Übernachtungsmöglichkeiten in der Stadt Oaxaca dienen als Kennzahlen.

Die getesteten Reiseführer können nur sehr bedingt als repräsentativ für die vollständigen Verlagsreihen gesehen werden. Auf Bewertung nach Punkten wurde verzichtet, weil sie bei Reiseführern mit verschiedenen inhaltlichen Ausrichtungen wenig sinnvoll erscheint. Alle genannten Preise beziehen sich auf die Buchhandlung Morawa in Wien.

Die Ergebnisse

Lonely Planet Publications: Mexico.
Von John Noble, Sandra Bao u. a. ISBN 1-74059- 686-2, 1028 S./780 g, 25,80 -

Der englischsprachige Klassiker für überall ist auch für Mexiko dick da und zuletzt in neunter Auflage 2004 erschienen. Der Ziegel ist stark im Auflisten von Hotels, Restaurants und Einkaufsmöglichkeiten, auch in kleineren Orten. Dass wir das Stranddorf Playa Ventura an der Costa Chica in Guerrero fanden und dort ein paar Tage wunderbar entspannten, verdanken wir Lonely Planet. Ein langer Marsch zum falschen Busbahnhof in sengender Hitze lehrte uns aber auch, dass er nicht unfehlbar ist. Die originellen Kurzkommentare zu allem Möglichen sind übersichtlich gereiht, treffen sich aber nicht immer mit den eigenen Wahrnehmungen. Informationen zu Geschichtlichem und Kulturellem gibt es leider auch nur in aller Kürze. Die inhaltliche Strukturierung nach Regionen erhöht das Gefühl, frei wählen zu können. Mit 180 Stadtplänen/Landkarten ist dieser Testkandidat allen anderen voraus, bei Übernachtungsmöglichkeiten in Oaxaca liegt er mit 36 Angeboten im Spitzenfeld.

Fazit: viel Infrastruktur, wenig Kultur

Reise Know-how Verlagsgruppe: Mexiko. Das komplette Handbuch für individuelles Reisen in allen Regionen Mexikos.
Von Helmut Hermann. ISBN 3-89662-313- 3, 897 S./740 g, 25,70 -

Helmut Hermanns umfangreicher Mexiko-Guide erschien 2006 in sechster Fassung, ist also brandaktuell. Insgesamt wird ein Fokus auf Kultur, vor allem die der Indigena, gelegt, dafür bleibt die Breite abgedeckter Orte etwas hinter Lonely Planet zurück. Der Band bietet einen sehr detaillierten allgemeinen Teil zu Reiseplanung und -praxis. Die geschichtliche Einführung ist kurz gehalten, dafür gibt es im Reiseteil vertiefende, ausführliche Beschreibungen der Sehenswürdigkeiten. Über 100 Karten, 34 Übernachtungsmöglichkeiten in Oaxaca. Der Schwerpunkt Indigena-Kultur beeinflusst auch das Angebot an Reisezielen. Ohne Hermanns "Reise Know-how"hätten wir es zum Beispiel nicht in das Lacandonen-Dorf Nahá in Chiapas geschafft. Die inhaltliche Struktur folgt Reiserouten. An der Schriftgröße ist das Bemühen um Informationsfülle ablesbar. Manchmal leidet die Übersichtlichkeit daran.

Fazit: der Kulturstärkste

--> Weitere Bewertungen und Fazit

Peter Meyer Verlag: Mexiko. Tourenplaner und Reiseführer zu den Highlights zwischen Yucatan und Baja California.
Von Silvio Imkemeyer. ISBN 3-89859-111-5, 445 S./ 443 g, 20,50 -

Mit seinem Erscheinungsjahr 2001 (1. Auflage) zählt Peter Meyers Tourenplaner zu den älteren Modellen. Dieser Führer punktet mit einem relativ umfangreichen, sehr gut zusammengefassten Allgemein-Teil. Über Fauna und Flora findet man hier mehr als anderswo (mit Exkurs über Kakerlaken!). Die einzelnen Sehenswürdigkeiten werden nur kurz abgehandelt, zumindest aber oft mit Karte. Der Band strukturiert sich nach Routen, die übersichtlich und logisch gegliedert sind. Man darf keine Geheimtipps erwarten, dafür ist er viel handlicher als die Footprint- und-Lonely Planet-Wälzer. Insgesamt ein guter Führer für den ersten Überblick. 65 Karten, 16 Unterkünfte für Oaxaca.

Fazit: Kompakt, gut aufbereitet

Stefan Loose Travel Handbücher im DuMont Reiseverlag: Mexiko.
Von John Fisher, Silvia Mayer. ISBN 3-7701-6119- X, 752 S./696 g, 25,70 -

Basierend auf dem entsprechenden Band der englischsprachigen Rough-Guide-Reihe erschien Looses Mexiko-Führer 2005 in siebenter Auflage. Für das handliche Format ist der Reiseteil des Bandes überraschend detailliert (75 Karten), an Kulturinformation, Museen und archäologischen Stätten findet man aber nur das Notwendigste. Es werden weniger Adressen gelistet als im Lonely Planet (30 Übernachtungsmöglichkeiten in Oaxaca, Preise nach Kategorien), dafür mehr als nur Touristen-Hot-Spots abgedeckt. Der unverkrampfte Stil gereicht zum Vorteil, wirkt manchmal aber abschweifend. Für Sätze wie "Der Ort ist in den letzten Jahren gewachsen, aber immer noch anziehend"muss man aber dankbar sein.

Fazit: gute Qualität, kompakt

Footprint: Mexico Handbook.
Von Patrick Maher. ISBN 1-900949-53-9, 814 S./531 g, 27,90 -

Der im Jahr 2000 erschienene Band hat schon einige Jährchen auf dem Buckel, leider ist keine Neuauflage geplant. Ähnlich angelegt wie die Lonely-Planet-Führer, bietet er sehr viel Infrastruktur (154 Karten), führt sehr viele Restaurant- und Hotelsvorschläge an, bleibt aber in deren Kommentierung - auch punkto Unterhaltsamkeit - hinter den Australiern zurück. Kulturinformation nimmt hier einen ähnlichen Stellenwert wie im Lonely Planet ein, ein Schwerpunkt liegt auf Abenteuertourismus. Die Informationsfülle macht ihn unhandlich, das wenig Platz sparende und unübersichtliche Layout kommt noch dazu.

Fazit: Lonely-Planet-Double mit Nachteilen

Footprint: Central America &Mexico Handbook.
Von Peter Hutchison. ISBN 1-904777-11-2, 1408 S./802 g, 33,90 -

Der regelmäßig upgedatete Guide erscheint dieses Jahr in der 16. Auflage und soll auch den Mexiko-Führer aus dem Jahr 2000 ersetzen. Die Unübersichtlichkeit teilen die Bände. Der aktuelle Band konnte für eine vertiefende Reise, die nur nach Mexiko führt, nicht überzeugen. Er ist die passende Wahl für jene, die im Schnellverfahren die Tourismusmagneten und Großstädte zwischen Baja California und Panama City, die durch den Führer gut abgedeckt sind, abklappern wollen (39 Übernachtungsmöglichkeiten in Oaxaca). Insgesamt fanden wir die Footprint-Guides, in die wir hohe Erwartungen gesetzt hatten, aber enttäuschend. (Alois Pumhösel , DER STANDARD, Printausgabe vom 8./9.7.2006)

Fazit: Fokus auf touristische Hotspots

*) Jeder Artikel spiegelt die ganz persönlichen Erfahrungen der AutorInnen wider.