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Zidanes letzte Aktion auf einem Fußballplatz.

Foto: Reuters
Rom/Paris - "Ich habe Zidane beleidigt", gab Italiens 32-jähriger Verteidiger im Interview mit der Mailänder Sporttageszeitung Gazzetta dello Sport zu: "Ich habe ihn aber sicher nicht als Terroristen bezeichnet. Ich bin ignorant, da weiß ich doch nicht, was ein islamischer Terrorist ist. Und ich habe bestimmt nicht Zidanes Mutter erwähnt. Für mich ist eine Mutter heilig. "Wie die Tageszeitung Corriere della Seraberichtete, hatte Materazzi im Alter von 14 Jahren seine Mutter verloren. Was wiederum Zidanes Mutter betrifft, so will das englische Boulevardblatt The Sunwissen, dass sie erkrankt ist, nähere Details wurden gestern allerdings nicht genannt.

Auslöser der Auseinandersetzung auf dem Platz, die in der 110. Minute weitab vom Spielgeschehen in Zidanes Kopfstoß gegen den Verteidiger von Inter Mailand mündete, war laut Materazzi eine alltägliche Fußball-Szene: "Ich hatte ihn für einige Sekunden am Trikot festgehalten, dann schaute er mich in einer super-arroganten Art von oben bis unten an und meinte: ,Wenn du mein Trikot wirklich haben willst, dann kannst du es nach dem Spiel haben'. Danach habe ich mit der Beleidigung reagiert. Ich habe etwas gesagt, das dutzende Male gesagt wird und auf dem Fußball-Feld einfach mal rausrutscht."

Durch Materrazzis nebulöse Aussagen bleiben die Hintergründe für Zidanes Wutausbruch in seinem letzten Profi-Spiel weiter offen. Zi- dane-Manager Alain Mi- gliaccio hatte am Montag erklärt, dass Materazzi "etwas sehr Ernstes"gesagt hätte, sein Schützling sich allerdings erst in den nächstenTagen öffentlich zum unrühmlichen Ende seiner Karriere äußern wolle. Die FIFA hat ein Verfahren gegen Zidane eingeleitet.

Und die Schwester?

Zuvor waren Lippenleser für den brasilianischen TV-Sender Globo anhand von TV-Bildern zu dem Ergebnis gekommen, dass Materazzi Zidanes Schwester zweimal als Prostituierte bezeichnet haben soll. Die englischen Tageszeitungen The Times, The Sunund Daily Mailberichteten am Dienstag unabhängig von- einander und ebenfalls unter Berufung auf Lippenleser, dass Materazzi entgegen seinen Aussagen in Italien Zi- dane den "Sohn einer terroristischen Hure"genannt hätte.

Der vierte Schiedsrichter des WM-Finales, der Spanier Luis Medina Cantalejo, hat gegenüber dem spanischen Radiosender Cadena Ser am Dienstag erklärt, dass er die Tätlichkeit von Zinédine Zidane live und nicht erst im TV gesehen habe. Der Unparteiische widersprach damit beiden Trainern, Marcello Lippi und Raymond Domenech (bleibt übrigens Teamchef), die berichtet hatten, Medina Cantalejo habe den Vorfall erst nach Sichtung der Zeitlupe dem Hauptreferee Horacio Elizondo gemeldet.

Cantalejo lobt sich

"Ich habe es live gesehen und nichts erfunden", meinte der Spanier. "Der Ball war woanders, dorthin hat der Referee geschaut. Ich sage meinem vierten Offiziellen immer, ein Auge auf die Spieler zu haben, und genau das habe ich gemacht."erklärte Medina Cantalejo. Er bezeichnete Zidane, der fünf Jahre in Spanien bei Real Madrid gespielt hatte, als "Gentleman". "Er hat sich nie über Entscheidungen beschwert. Es ist traurig, dass ein Spieler wie er so seine Karriere beendet, aber er hat etwas getan, das bestraft gehört."Fast zwei Drittel der Franzosen haben Zidane bereits verziehen. 61 Prozent sehen ihrem Helden die Tätlichkeit gegen Materazzi nach, nur für 27 Prozent ist der Ausraster nicht zu entschuldigen.

Montagabend hatte eine Mio. Menschen den Weltmeistern in Rom einen Triumphzug zum Circus Maximus bereitet. Die Kunstfliegerstaffel Frecce Tricolori ("dreifarbige Pfeile") malte beim Flughafen ein weißes Herz in den Himmel, Trainer Lippi und die Spieler fuhren mit einem offenen Doppeldecker-bus durch die Stadt. Auf der Piazza Venezia stand ein Leichenwagen mit einer französischer Fahne und der Aufschrift "Hier ist der Sarg von Frankreichs Nationalelf". (DER STANDARD, Printausgabe, Mittwoch, 12. Juli 2006, fri, sid, APA)