Auslöser der Auseinandersetzung auf dem Platz, die in der 110. Minute weitab vom Spielgeschehen in Zidanes Kopfstoß gegen den Verteidiger von Inter Mailand mündete, war laut Materazzi eine alltägliche Fußball-Szene: "Ich hatte ihn für einige Sekunden am Trikot festgehalten, dann schaute er mich in einer super-arroganten Art von oben bis unten an und meinte: ,Wenn du mein Trikot wirklich haben willst, dann kannst du es nach dem Spiel haben'. Danach habe ich mit der Beleidigung reagiert. Ich habe etwas gesagt, das dutzende Male gesagt wird und auf dem Fußball-Feld einfach mal rausrutscht."
Durch Materrazzis nebulöse Aussagen bleiben die Hintergründe für Zidanes Wutausbruch in seinem letzten Profi-Spiel weiter offen. Zi- dane-Manager Alain Mi- gliaccio hatte am Montag erklärt, dass Materazzi "etwas sehr Ernstes"gesagt hätte, sein Schützling sich allerdings erst in den nächstenTagen öffentlich zum unrühmlichen Ende seiner Karriere äußern wolle. Die FIFA hat ein Verfahren gegen Zidane eingeleitet.
Und die Schwester?
Zuvor waren Lippenleser für den brasilianischen TV-Sender Globo anhand von TV-Bildern zu dem Ergebnis gekommen, dass Materazzi Zidanes Schwester zweimal als Prostituierte bezeichnet haben soll. Die englischen Tageszeitungen The Times, The Sunund Daily Mailberichteten am Dienstag unabhängig von- einander und ebenfalls unter Berufung auf Lippenleser, dass Materazzi entgegen seinen Aussagen in Italien Zi- dane den "Sohn einer terroristischen Hure"genannt hätte.
Der vierte Schiedsrichter des WM-Finales, der Spanier Luis Medina Cantalejo, hat gegenüber dem spanischen Radiosender Cadena Ser am Dienstag erklärt, dass er die Tätlichkeit von Zinédine Zidane live und nicht erst im TV gesehen habe. Der Unparteiische widersprach damit beiden Trainern, Marcello Lippi und Raymond Domenech (bleibt übrigens Teamchef), die berichtet hatten, Medina Cantalejo habe den Vorfall erst nach Sichtung der Zeitlupe dem Hauptreferee Horacio Elizondo gemeldet.
Cantalejo lobt sich
"Ich habe es live gesehen und nichts erfunden", meinte der Spanier. "Der Ball war woanders, dorthin hat der Referee geschaut. Ich sage meinem vierten Offiziellen immer, ein Auge auf die Spieler zu haben, und genau das habe ich gemacht."erklärte Medina Cantalejo. Er bezeichnete Zidane, der fünf Jahre in Spanien bei Real Madrid gespielt hatte, als "Gentleman". "Er hat sich nie über Entscheidungen beschwert. Es ist traurig, dass ein Spieler wie er so seine Karriere beendet, aber er hat etwas getan, das bestraft gehört."Fast zwei Drittel der Franzosen haben Zidane bereits verziehen. 61 Prozent sehen ihrem Helden die Tätlichkeit gegen Materazzi nach, nur für 27 Prozent ist der Ausraster nicht zu entschuldigen.