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Wien - Wissenschafter haben herausgefunden, dass Bluthochdruck, Insulinresistenz und auch starkes Übergewicht (Adipositas) ihre Ursache in einer aus dem Takt geratenen "inneren Uhr" haben können. Das berichtete Univ.-Prof. Dr. Ruud Buijs vom Niederländischen Institut für Hirnforschung am Montag auf der Tagung der Federation of European Neuroscience Societies (FENS) 2006 in Wien (bis 12. Juli).

Treten die drei genannten Stoffwechselstörungen zusammen auf, sprechen Experten vom "metabolischen Syndrom". Dieses erhöht das Risiko der betroffenen Menschen für Schlaganfall oder Herzerkrankungen. Das metabolische Syndrom ist sehr häufig. Nach Erhebungen in den USA ist einer von vier Menschen davon betroffen.

Taktgeber hinter dem Sehnerv

Es gibt nunmehr allerdings Hinweise darauf, dass diese Gesundheitsprobleme mit der "inneren Uhr" der Menschen im Zusammenhang stehen, hieß es beim Europäischen Hirnforscherkongress. Sie steuert den Schlaf-Wachrhythmus, den Stoffwechsel, den Appetit und die Aktivität innerer Organe. Der Taktgeber befindet sich hinter dem Sehnerv in einem kleinen Areal des Hypothalamus, das als suprachiasmatischer Kern (SCN) bezeichnet wird.

Dr. Buijs und seine Mitarbeiter wollten wissen, wie Signale des Körpers zum SCN gelangen. Dazu untersuchten sie auch den so genannten Nucleus arcuatus. Dieser Kern liegt ebenfalls im Hypothalamus, nahe beim SCN, und signalisiert über Rezeptoren für Blutzucker (Glukose) und freie Fettsäuren, sowie für die Hormone Insulin, Leptin und Ghrelin die Hunger- und Sättigungsgefühle. Damit kann er den Ernährungszustand eines Menschen feststellen und diese Information an das Zentralnervensystem weiterleiten.

Mit Hilfe chemischer Marker, deren Spur sie mit bildgebenden Verfahren im Körper verfolgten, konnten die Wissenschafter zeigen, dass der Nucleus arcuatus über Signale, die für die Nahrungsaufnahme wichtig sind, mit dem SNC kommuniziert. "Weiter zeigte sich, dass durch den Körper zirkulierende Hormone auf den SNC wirken und sobald sich dieser veränderte, änderte sich auch die Aktivität des Nucleus arcuatus", sagte Buijs. Das bedeutet, dass SNC und der Nucleus arcuatus enger miteinander verbunden sind, als bisher angenommen.

Menschen ohne Sättigungsgefühl

Interessanterweise spielen einige der Hormone, die auf den Nucleus arcuatus einwirken und dadurch Hunger oder Sättigung signalisieren, bei einigen Fällen von Adipositas eine Rolle. Zu diesen Hormonen gehört das Leptin. Menschen, denen dieses Hormon fehlt, haben kein Sättigungsgefühl. Sie essen ständig und werden schließlich adipös. Vor allem haben Menschen mit metabolischen Syndrom häufig einen gestörten Schlaf-Wach-Rhythmus.

"Eine große Studie über Schlafverhalten zeigte, dass bei Menschen, die zu viel oder zu wenig Schlaf bekommen und adipös oder herzkrank werden, ein direkter Zusammenhang besteht", sagte Buijs. "Wir bekommen immer mehr Hinweise, dass das metabolische Syndrom letztlich eine Erkrankung des Gehirns ist." Wenn Adipositas oder Bluthochdruck tatsächlich auf eine falsch tickende innere Uhr zurückzuführen sind, wird dies Auswirkungen für die Behandlung dieser Erkrankungen haben.

"Es kann aber auch sehr gut sein, dass unser veränderter Lebensstil - wenig Bewegung am Tag und üppige Mahlzeiten am späten Abend - unsere biologische Uhr durcheinander bringen", sagte der Wissenschafter. "Das ist sehr beunruhigend." Als nächstes will Buijs deshalb die Gehirne verstorbener Patienten mit Diabetes untersuchen, um dort nach Veränderungen zu suchen, die im Endeffekt zu den Stoffwechselproblemen führen. (APA)