Wien - Spielende Kinder im Innenhof, heitere Grillfeste auf Nachbars Terrasse, ausgelassene Stimmung im Schanigarten - der Sommer ist nicht gerade "die stillste Zeit im Jahr". Laut einer IFES-Studie lebten im Jahr 2003 610.000 Wiener in Wohnungen mit Balkon oder Terrasse - genug Potenzial zur nachbarschaftlichen Lärmbelästigung. Generell ist erlaubt, was in der Umgebung üblich ist, sagte Andreas Kletecka vom Institut für Zivilrecht der Universität Wien zur APA. Wer sich gestört fühlt, kann die Polizei rufen oder zivilrechtlich auf Unterlassung klagen.

"Üblichkeit"

"Wie es an einem Wohnort schon in den vergangenen 30 Jahren war - damit muss man rechnen", sagte der Jurist. Das Gesetz - genauer gesagt die Paragrafen 364 und 364a im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch - orientieren sich an der "Üblichkeit". Neben Abwässern, Rauch, Wärme und Geruch ist auch Lärm von "Nachbars Oase" untersagt, wenn dieser "das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß" überschreitet.

Toleranter müssten etwa Anrainer eines Studentenheims sein, wo üblicherweise häufiger Partys gefeiert werden. Die Lärm-Schmerzgrenze in einer Pensionisten-Wohngegend dürfte hingegen niedriger angesetzt sein.

"Wenn Nachbarn ein Sommerfest veranstalten und nach 22.00 Uhr leise im Garten reden, wird das in Ordnung sein - wenn sie dort Trommel spielen, ist das nicht tragbar", erklärte Kletecka. Der Tipp des Experten: Die Nachbarschaft miteinladen. "Meist bekommt man das Problem dann ohne rechtliche Schritte in den Griff."

Lauter Torjubel

Zur Wehr setzten kann sich der Ruhe-Suchende auch, indem er die Polizei ruft. Beispielsweise "wenn man während eines Fußball-Matches bei jedem Tor von Jubelschreien aus dem Bett gehoben wird", sagte der Jurist.

Während der WM in Deutschland gab es immer wieder Probleme mit TV-Übertragungen im Freien, sagte Kurt Unger von der Wiener Polizei. Ansonsten seien Beschwerden wegen Lärmbelästigung im Sommer nicht wesentlich häufiger als sonst. "Dass um 22.00 Uhr Ruhe sein muss, ist ein weit verbreiteter Irrtum", so der Beamte. "Das steht vielleicht in Hausordnungen", gesetzlich sei diese Grenze aber nicht geregelt. "Lärm ist strafbar, wenn er störend und vermeidbar ist - da ist egal ob es 9.00 Uhr in der Früh ist oder abends", erklärte Unger.

Strafen der Polizei für Störenfriede "gehen von der Abmahnung bis zur Festnahme", sagte er. Wer sich nach etlichen Zurechtweisungen der Ordnungshüter noch immer nicht an den ortsüblichen Lärmpegel anpasst, kann in Extremfällen geklagt werden. In einem Urteil könne der Beschuldigte aufgefordert werden, die Störung zu unterlassen, sagte Kletecka. "Wer sich nicht daran hält, zahlt Beugestrafen", erklärte der Jurist. Wie hoch dieser Geldbetrag ist, entscheide das Gericht. "Bei einem kleineren Fall können das ein paar Hundert Euro pro Tag sein." Zusätzlich müsse der Unbelehrbare die Prozesskosten tragen.

Im Schanigarten ist um 23 Uhr Sperrstunde

Die gesetzlichen Lärm-Regelungen für Wiener Schani- und Gastgärten sind deutlicher formuliert als die "Ortsüblichkeit". In Schanigärten (auf öffentlicher Fläche) ist laut Gewerbeordnung im Sommer um 23.00 Uhr Sperrstunde, Ausnahmegenehmigungen gelten bis 24.00 Uhr. "Lautes Sprechen oder Musizieren ist dort sowieso verboten", erklärte Walter Freundsberger von der Wirtschaftskammer. "Ausgelassenes Lärm-Machen kann es gar nicht geben - da wird sofort von der Behörde zugesperrt", sagte der Fachgruppenobmann der Wiener Gastronomen.

Heikler sei die Situation bei Gastgärten auf privatem Grund - etwa in Innenhöfen. Bei einer Neugenehmigung müssen dort mit den Anrainern Sorgen über Gestank und Geschirrklappern im Vorfeld ausdiskutiert werden, erklärte Freundsberger. In den 300 bis 400 Wiener Gastgärten ist um 22.00 Uhr Schluss.

Weniger zahlen bei "Lärm-Mobbing"

Geplagte Mieter können bei unerträglichem Lärm übrigens darauf bestehen, weniger Miete zu zahlen. Klopfgeräusche, Stampfen auf dem Boden, Fenster- und Türen-Schlagen, lautes Schreien, Lärmen im Stiegenhaus und Sturmläuten gelten als "Lärm-Mobbing". Sind diese Geräusche andauernd, kann der leidtragende Mieter laut Berichten der Rechts-Zeitschrift "Immolex" bis zu 15 Prozent Mietzinsminderung verlangen, sagte Lynn Pohan von der Wiener Anwaltskanzlei Kranich & Partner zur APA.

"Bei Beeinträchtigungen durch die darüber liegende Wohnung" könne man bis zu fünf Prozent "Rabatt" verlangen. Laute Brummgeräusche von EDV-Anlagen könnten die Miete um ein Fünftel herabsetzen. "Normale Wohnungsgeräusche" wie etwa Wäschewaschen zu beanstanden, sei nicht möglich, sagte die angehende Anwältin. "Außer es passiert um 1.00 Uhr nachts - da muss man sich dann an der Hausordnung orientieren." Diese schreibe auch Ruhestunden vor - gesetzlich seien solche Zeiten nämlich nicht geregelt.

Eine Mietzinsminderung kann man entweder beim Vermieter beantragen oder zu Gericht gehen und "auf Feststellung des Mietzinses klagen", so Pohan. (APA)