Am Abend des 11. Juli 1936 wurde Santiago Casares Quiroga, Ministerpräsident der Spanischen Republik, vor einem bevorstehenden Offiziersputsch gewarnt. "So, man will sich erheben?", meinte der Premier der seit den Neuwahlen im Februar im Amt befindlichen Volksfrontregierung. "Na, dann will ich persönlich mich mal niederlegen!"

Genau an jenem 11. Juli, an dem der Ministerpräsident über seinen ruhigen Schlaf witzelte, hatte ein Flugzeug den englischen Flugplatz Croydon mit Kurs auf die Kanarischen Inseln verlassen. Dem britischen Piloten wurde ein touristischer Charterflug vorgetäuscht, weshalb der Korrespondent der monarchistischen Zeitung ABC, Luis Bolin, der die Maschine angeheuert hatte, zwei Damen mit an Bord nahm. Die vorsorgliche Geheimhaltung der Reise war Teil des Planes einer Offiziersverschwörung, die bereits seit April ihre Fäden spann mit dem Ziel, die Regierung zu stürzen. Der Aufstand sollte von Spanisch-Marokko ausgehen, und dazu musste der vormalige Generalstabschef Francisco Franco y Bahamonde, der von der Regierung auf die Inseln abgeschoben worden war, zu der ihm ergebenen Afrika-Armee gebracht werden.

Als Franco in Marokko eintraf, war die Insurrektion in Melilla bereits ausgebrochen. Die Rebellion des Militärs sollte sich zum blutigsten Bürgerkrieg im Europa des 20. Jahrhunderts auswachsen, in dem der Kampf zwischen Faschismus und Demokratie, zwischen Reaktion und Revolution mit dem Eingreifen von Hitler, Mussolini und Stalin - bei "Nichteinmischung" der Westmächte - zugleich zur Generalprobe für den Zweiten Weltkrieg wurde. Die geschätzte Zahl von rund 600.000 Toten (im Kampf Gefallene, Ermordete und nach Francos Sieg Hingerichtete und in Lagern Umgekommene) zeigt an, welch unermessliches Leid dem spanischen Volk widerfuhr, aber auch, welch unversöhnliche Gegensätze dieses Übermaß an Gewalt ausgelöst haben mussten.

Spanien befand sich seit Jahrzehnten in einer permanenten politischen Krise; das lässt sich allein an der Zahl von 43 Staatsstreichen, so genannten "pronunciamentos", im Laufe eines Jahrhunderts ablesen. Die Armee war durch die Niederlage im Krieg gegen die USA (1898, mit Verlust Kubas, Puerto Ricos und der Philippinen) und die nur mit französischer Hilfe ermöglichte Befriedung der Aufständischen in Marokko frustriert, ihr "Kriegsschauplatz" wurde die Innenpolitik. Im Jahr 1923 wurde das bisschen Verfassung, das die Liberalen durchgesetzt hatten, durch den Putsch des Generals Miguel Primo de Rivera beseitigt. Er proklamierte sich zum Diktator, der schwache König Alfons XIII. sah in ihm "seinen Mussolini". Als die Wirtschaftsmisere nicht mehr zu bewältigen war, ging der Diktator 1930 ins Exil, der König dankte einige Monate später ab.

Nun wurde die Republik ausgerufen. Bürgerliche Liberale, traditionell antiklerikal, standen an ihrer Spitze. Der hohe Klerus verdammte die "gottlose" Republik in wütenden Hirtenbriefen. Die ersten Wahlen (1931) brachten einen Sieg des linksliberalen Bürgertums und der Sozialisten. Die Regierung des bürgerlichen Manuel Azana sah sich sofort in einen Zweifrontenkrieg verwickelt: gegen die Mächte der Reaktion, die sich dem Reformprogramm - Trennung von Kirche und Staat, Autonomie für Katalonien und das Baskenland, Bodenreform - widersetzten; und gegen die Anarchisten, die, jeder Wahl abhold, durch Gewalt vor allem gegen die Kirche ihren "freiheitlichen Kommunismus" erreichen wollten. Offiziere versuchten, die "Ordnung" ,wie sie sie verstanden, herzustellen; aber der Aufstand des Generals Sanjurjo im August 1932 wurde von der neu ins Leben gerufenen republikanischen Sturmgarde (Guardia de Asalto) vereitelt.

Ihren Prinzipien treu, hatte die Linke das Wahlrecht für Frauen eingeführt; bei den Neuwahlen 1932 trug der Einfluss der Beichtväter zum Sieg der Rechten bei. In deren Koalition war die neu gegründete katholische Sammelpartei CEDA, die (ähnlich Dollfuß) ein ständestaatliches Programm nach päpstlichen Vorstellungen vertrat, die stärkste Kraft. 1933 gründete der Sohn des Diktators Primo de Rivera, José Antonio, die Falange, eine offen faschistische Partei. Die Linke begann, vor einer "faschistischen Gefahr" zu warnen. Nach einem Generalstreik kam es im Oktober 1934 in Asturien zu einem Aufstand der Bergarbeiter. Die Regierung rief das Kriegsrecht aus und schickte General Franco mit der Fremdenlegion und maurischen Hilfstruppen gegen die "Roten". Der Aufstand wurde blutig niedergeschlagen.

Schließlich wurden die Cortes (das Parlament) neuerlich aufgelöst und Neuwahlen ausgeschrieben. Das Pendel schlug am 26. Februar 1936 wieder nach links aus. Die Parteien hatten "Fronten" gebildet, zwischen denen die Kluft unüberbrückbar schien. Der Volksfront (Sozialisten, Republikaner, katalanische Esquerra) stand die Nationale Front (CEDA, Monarchisten, Carlisten, Agrarier) gegenüber. Das Ergebnis brachte der Volksfront eine klare Mehrheit. Doch während die Rechte immer enger um verschwörungsbereite Offiziere zusammenrückte, zeigte sich die Linke durch Rivalitäten zwischen der anarchistischen Gewerkschaft CNT und der sozialistischen UGT zerrissen. Die Falange provozierte mit Terrorakten Zusammenstöße mit der Sturmgarde. Am 12. Juli ermordeten Falangisten den Gardeleutnant José Castillo. Junge Offizierskameraden holten daraufhin den Oppositionsführer Calvo Sotelo nachts aus seiner Wohnung, angeblich zu einer Aussage. Im Polizeiauto wurde er erschossen. Mit diesem Mord durch die reguläre Polizei sei der Bürgerkrieg ausgelöst worden, behauptete später die Rechte - eine Lüge. War doch General Franco schon auf dem Flug nach Marokko, um die Afrika-Armee gegen die Republik in Marsch zu setzen. (Manfred Scheuch/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15./16. 7. 2006)