Zeit
Angelsächsische Eindringlinge "germanisierten" Briten
Forscher schließen aus Erbgut, dass Zuwanderer aus dem heutigen Norddeutschland, Holland und
Dänemark eine Art Apartheidssystem eingeführt haben
London - Angelsächsische Zuwanderer haben in
Großbritannien vor rund 1.600 Jahren vermutlich eine Art Apartheid
eingeführt. Das schließen Forscher aus dem heute in England weit
verbreiteten angelsächsischen Erbgut, das aber nur von
vergleichsweise wenigen Einwanderer stammt. Eine relativ kleine
Gruppe Eindringlinge aus dem heutigen Norddeutschland, Holland und
Dänemark habe innerhalb von wenigen hundert Jahren die einheimischen
Briten "germanisiert", heißt es in einer Studie des University
College London, die am Mittwoch im Fachjournal "Proceedings B" der
Royal Society veröffentlicht wird.
Eheschließungen mit Briten untersagt
Die wirtschaftlich und militärisch überlegenen Angelsachsen
grenzten sich laut der Studie von der einheimischen Bevölkerung ab,
indem sie unter anderem Eheschließungen mit Briten untersagten.
Dieses Apartheid-ähnliche System habe eine "kulturelle und genetische
Germanisierung" zur Folge gehabt. Die Zuwanderer bildeten eine
gesellschaftliche Elite und hatten mehr Kinder, die das
Erwachsenenalter erreichten. Dies erkläre die hohe Anzahl von Briten
mit germanischen Vorfahren, erläuterte der Biologe Mark Thomas, der
die Forschungen leitete.
Großer genetischer Einfluss erklärbar
Früheren Studien zufolge tragen im heutigen England zwischen 50
und 100 Prozent der männlichen Bevölkerung ein angelsächsisches Y-
Chromosom. Historiker und Archäologen schätzen jedoch, dass im 5. bis
7. Jahrhundert nur eine relativ kleine Gruppe von 10.000 bis 200.000
Angelsachsen nach Großbritannien eingewandert ist, wo damals mehr als
zwei Millionen Menschen lebten. Der große genetische Einfluss der
kleinen Zuwanderer-Gruppe lasse sich gut mit einem Apartheid-
ähnlichen Gesellschaftssystem erklären, erläuterte Thomas, dessen
Gruppe die Verbreitung des angelsächsischen Erbguts unter
verschiedenen Bedingungen mit dem Computer simuliert hat. (APA/dpa)