Viele der Opfer des Franco-Terrors wurden in Massengräbern verscharrt.

Foto: Cover "Las fosas de Franco", Repro: Standard/Hendrich
Mit dem Aufstand des Militärs gegen die demokratische Republik brach über Spanien eine lange Nacht der Gewalt herein, die an Gewalttätigkeit und Blutvergießen übertraf, was das Land vom Volkskrieg gegen Napoléon (in Goyas "Desastres de la guerra" erschütternd festgehalten) bis zum noch unerklärten Bürgerkrieg der frühen Dreißigerjahre zu erleiden hatte.

Nach dem Erfolg der Rebellen war das Land zweigeteilt, aber "es gab jetzt nicht zwei Spanien, sondern 2000. Die Staatsgewalt hatte aufgehört, zu existieren. Angesichts ihres Fehlens streiften Menschen und ganze Städte jegliche Hemmung ab ... Innerhalb eines Monats wurden fast 100.000 Menschen willkürlich und ohne Gerichtsverfahren umgebracht". (Hugh Thomas)

Man sprach im Ausland in Anlehnung an die russische Revolution vom "roten" und vom "weißen" Terror, und die Zeitungen nicht nur in Hitlerdeutschland und Mussolinis Italien wurden nicht müde, die Gräuel des ersten anzuprangern und über die Massenmorde des zweiten eher wegzusehen. Das lag unter anderem daran, dass sich die Wut des Volkes an den Repräsentanten der Kirche ausließ - Rache für deren jahrhundertelangen Funktion als Stütze der Mächtigen und Demütigung der Armen und Ausgebeuteten.

Berichte über ermordete Priester und brennende Kirchen, die den braven Bürgern nicht nur den Schauer über den Rücken rieseln ließen, waren zugleich Sympathiewerbung für die "Ordnung" schaffenden Militärs und Faschisten.

Die historische Objektivität verlangt, dass zwischen den Massakern, Meuchelmorden und Gräueln auf beiden Seiten ein großer Unterschied bestand - so wenig das freilich für das Schicksal der unmittelbar Betroffenen Bedeutung hat. Bei den "Nationalen" Francos gehörte das Morden zum von der Spitze angeordneten System. Von den Generälen und Offizieren wurden ihre Untergebenen oft geradezu dazu aufgefordert, in Städten und Dörfern, in denen Widerstand geleistet wurde, ohne Rücksicht auf Alter und Geschlecht zu morden. Die aus Marokko angeheuerten Stammeskrieger wurden zu Vergewaltigungen animiert; aber auch in kampflos eingenommenen Orten begannen sofort - meist durch die Falangisten, die man selten an der Front sah - die tödlichen "Säuberungen" von republiktreuen Beamten und Funktionären, Gewerkschaftern und Anhängern der Linksparteien. Franco ordnete an, dass ihm Ansuchen um Begnadigung von Todesurteilen der Militärgerichte erst nach der Urteilsvollstreckung vorzulegen seien.

Es waren immer wieder Arbeiter und arme Bauern, die in Massen an die Wand gestellt wurden. Das Ziel war offensichtlich, dem Proletariat für alle Zeiten den Gedanken an eine Revolution auszutreiben.

Die Behörden der Republik hingegen haben sich immer wieder (in den ersten Wochen freilich meist vergebens) gegen das gewandt, was der Augenzeuge Franz Borkenau "Massenmord im doppelten Sinn des Wortes" genannt hat: "Er wurde von den Massen geführt, und er forderte Massen von Opfern." Die schwersten Ausschreitungen auf dem Gebiet erfolgten in der ersten Zeit nach dem Ausbruch des Aufstandes, wiederholt auch nach Luftangriffen. In größeren Städten, wo Sozialisten und Kommunisten dominierten, wurden "Untersuchungskommissionen" eingerichtet, die unter der russischen Bezeichnung "Tscheka" (nach Lenins Geheimpolizei) liefen. Es waren Tribunale, die jenen, die der Sympathie mit den Aufständischen bezichtigt wurden, wenig Chance gaben. Als die republikanische Regierung wieder ordentliche Gerichtsverfahren durchsetzte, änderte sich dies. Auch gelang es, später, die Umtriebe freigekommener Kriminelle, die ihre Verbrechen "politisch" tarnten, zurückzudrängen.

Über die Opfer des Bürgerkriegs hat es - aus propagandistischen Gründen - lange überhöhte Zahlen gegeben. Nach jüngsten, nach dem Ende der Diktatur erfolgten Untersuchungen, starben rund 38.000 Menschen durch den "roten" Terror und - einschließlich der nach Ende des Bürgerkriegs Ermordeten und Hingerichteten - an die 200.000 Opfer der faschistischen "Nationalen". (D ER S TANDARD , Print-Ausgabe, 19.7. 2006)