Der "Figaro" mit Nikolaus Harnoncourt und Anna Netrebko als Susanna (Foto) ist heuer ein Renner, die Nachfrage nach Karten acht Mal so groß wie das Angebot.

Foto: Festspiele/Monika Rittershaus
Salzburg - Claus Guth hat gute Chancen, zum zentralen Regisseur der Salzburger Festspiele im Jubiläumssommer 2006 zu avancieren. Er zeichnet für zwei Produktionen verantwortlich - nämlich "Le nozze di Figaro" und die Kombination von Mozarts Opernfragment "Zaide" mit der Uraufführung von "Adama" von Chaya Czernowin. Besonders der "Figaro" mit Nikolaus Harnoncourt und Anna Netrebko als Susanna ist heuer ein Renner, die Nachfrage nach Karten acht Mal so groß wie das Angebot. Für jene, die trotzdem ein Karte ergattert haben oder die Oper am 26. Juli live im Fernsehen anschauen werden, hat Claus Guth sogar eine zusätzliche Figur erfunden.

"Es ist Eros selbst, der die Szene bereichern und als eine Art Geist auf der Bühne präsent sein wird", erzählt Guth, "aber mehr sage ich nicht." Im aktuellen "Figaro", der laut Guth schwierigsten aller Opern, interessiert weniger das Lustspiel, sondern "ein Ausleuchten der Abgründe aller Charaktere, auch der vermeintlichen Nebenfiguren", erklärte der Regisseur. "In dieser Oper gibt es alle Formen von Liebe und Begierde. Ich will zeigen, wie die jungen, alten, armen oder reichen Menschen in dieser Oper von der Urgewalt des Eros getrieben werden. In meinem Kabinett an komplexen Persönlichkeiten zerreißt es die Figuren zwischen Moral, Lust und Trieb. Da hat Humor durchaus seinen Platz, ein skurriler und absurder Humor, die Comedia del Arte oder der Verwechslungs-Klamauk haben mich nicht interessiert."

Stücke-Erfinder mit Autoren-Charakter

So spannend, herausfordernd und detail-intensiv die Arbeit am "Figaro" auch ist, in seiner zweiten Regiearbeit dieses Sommers - "Zaide-Adama" - sieht sich Guth nicht nur als Visualisierer, sondern als Stücke-Erfinder mit Autoren-Charakter. Tatsächlich gibt es ein Zaide-Fragment mit "extrem naivem Libretto", zu dem die israelische Komponistin Chaya Czernowin eine zweite Parallelebene komponiert hat. Nach jeder Mozart-Arie ist eine Liebesgeschichte einer Israelin zu einem Palästinenser eingeflochten und zwar in musikalisch radikalem Klang-Kontrast. Manchmal spielen zwei Orchester und zwei Sängerensembles sogar gleichzeitig, und die Handlungsfäden verknüpfen sich zwischen der heutigen Realität und der traumhaften, wunschartigen Verklärung der Mozart'schen Türkenoper.

Guth: "Verblüffend, wie sich Superstar Anna Netrebko zurücknimmt"

"Wenn ich gewusst hätte, wie kreativ und interessiert beide Ensembles an den Details meiner Regie sein werden, wäre ich nicht nervös gewesen", erzählt Claus Guth. "Verblüffend, wie sich Superstar Anna Netrebko zurücknimmt, niemals in den Vordergrund spielt und dem Stück dient", so der Regisseur, der zwei Jahre lang am "Zaide-Adama"-Konzept gearbeitet hat und seit nunmehr sieben Wochen in Salzburg an beiden Opern probt. Was ihm mehr Spaß macht, der große Klassiker oder das Neue, Experimentelle? "Beides macht Spaß und ist für mich die größte denkbare Herausforderung", so der Regisseur. (APA)