Die Preis-gekrönte Bühne von Hans Kupelwieser

Foto: Wellenklänge
Ein älterer Badegast kleidet sich gemächlich in Neopren und Flossen und gleitet langsam auf den See hinaus. Draußen auf dem See kreuzen Tretboote vor alpin-grüner Kulisse, auf der Liegewiese kümmern sich Mütter um Babys, ein Vater trägt eine gebrauchte Windel zum Mülleimer. Beschaulich geht es an diesem Freitag unter den Bäumen des Lunzer Seebades zu, trotz vieler Besucher. Nur das Platschen vom Sprungturm durchbricht die Ruhe auf dem Wiesenstreifen.

Etwas versteckt beschließt eine graue Betonkonstruktion das eine Ende des Seebades. Hinter einem futuristisch anmutenden Sprungturm liegen Badegäste auf hohen Stiegen und einer kleinen Plattform, die in den See hinausragt. Das also ist die Seebühne, der Hybrid in "ungeöffnetem" Zustand. Kennt man sie in abendlich transformierter Pose, wirkt sie tagsüber, als Teil des Schwimmbades, wie ein Chamäleon, das sich dem Treiben der Menschen anpasst, ein verstecktes Zeichen der Zeit im zeitlos-pittoresken Ambiente des niederösterreichischen Voralpensees.

Bürgermeister Martin Ploderer schüttelt noch ein paar Hände, scherzt mit Badegästen, bevor wir uns neben der schlafenden Bühne niederlassen. Er sei heute schon auf dem Hetzkogel gewesen, meint er und zeigt auf den Berg auf der anderen Seite des Sees, seit fünf Uhr früh ist er auf den Beinen, der Berg sei höher als er aussieht. Und: Lunz hat über 100 Kilometer markierte Wanderwege.

Er ist stolz, dass der Bühne der erstmals vergebene Österreichische Bau-Preis zugesprochen wurde. Er spricht von Reisegruppen, Architekten, die nur die Seebühne sehen wollen, während wir dem langsamen und lautlosen Aufklappen der Bühne folgen. Schwer sei es gewesen, das Projekt in Lunz durchzusetzen. Schade um den Platz, haben sie gesagt, dabei waren hier zuvor nur Gestrüpp und Felsen. "Ich wusste immer, dass es genau der richtige Platz ist", meint Ploderer.

Die Bühne ist nicht nur baulich hervorragend an den Ort angepasst. Keinesfalls soll das auf der Bühne gebotene einen abgehobenen Eindruck machen: Neben der Bespielung durch die Sommerprogramme der "wellenklaenge" und das Musiksymposion "More Ohr Less" machen Konzerte heimischer und internationaler Künstler den kleinen Spielort zur volksnahen Institution. Gemeinsame Konzertausklänge von Künstlern und Gästen in Restaurants und Veranstaltungen vom ansässigen Musikverein, wie das Echoblasen (das Echo des Hetzkogels soll ausgezeichnet sein) oder die Festmesse am See gehören bereits zum fixen Repertoire. Diesen Sonntag gibt's etwa mit dem "Jakobssingen" Volksmusik-Programm. Den Winterschlaf verbringt die Bühne unter Wasser, unter Musikbegleitung wird sie im See versenkt. Sonst ist sie für 100 Euro pro Abend mietbar.


Erfolgswellen

Noch bis zum 29. Juli bespielen die "wellenklaenge" die Bühne. Intendantin Suzie Heger, die sich inzwischen zu uns gesellt hat, erklärt, dass sie auf der Suche nach jenen Künstlern ist, die gerade knapp vor dem Durchbruch stehen. Sie freue sich immer, wenn sie hört, dass jemand, der hier gespielt hat, einen großen Preis bekommen hat. Meistens gibt's Jazz, heuer etwa aus Osteuropa, mit Klassik hat sie es probiert, leider lockt das die Leute weniger. Ein Kammermusikabend am kommenden Freitag ist trotzdem noch drinnen. Hegers Programm wird im August von Joachim Roedelius' "More-Ohr-Less" abgelöst. Unter dem Leitmotiv "Zugänge zur Wirklichkeit" wird neben Workshops und Vorträgen auch Harri Stojka auftreten.

Das Freitagswetter schlägt um, die Windböen kündigen ein Gewitter an und fegen das Seebad leer. Die Forelle im Restaurant "Seeterrasse" ist passabel und der anschließende Spaziergang rund um den See (1,5 Stunden) offenbart eine wunderbar mystische Stimmung zwischen den nebelverhangenen Bergen; trotzdem ist es etwas schade um das entgangene Bad im See.

Am Abend tritt auf der Seebühne mit dem "Black Sea Trio" der usbekische Gitarrenvirtuose Enver Izmailov auf, zum ersten Mal in Österreich. Seine verträumten, jazzigen Klänge fügen sich bezaubernd in das noch nebeltrübe Seepanorama zwischen Scheiblingstein und Hetzkogel. (Alois Pumhösel, Der Standard, Printausgabe 22./23.7.2006)