Bild nicht mehr verfügbar.

Die Proben sind anstrengend, aber diese "Figaro"-Szene ist Teil des Konzeptes: Anna Netrebko wird von Patrick Henckens (li.) und Bo Skovhus (re.) gehalten.

Foto: APA/Hans Klaus Techt
Salzburg - Im Hause des Grafen Almaviva hängt der Haussegen nicht nur schief, er steht bisweilen Kopf. Ein Hauch von Tristesse scheint über dem unmöblierten Haus zu schweben, Fensterscheiben sind zerbrochen, Laub liegt am Parkettboden. Breite Treppen in den Halb- und ersten Stock beschwören ein Bild von vergangener Feudalität. Wenn sich der Vorhang hebt, stehen die Figuren in Positionen wie festgefroren. Erst ein zusätzlicher Cherubino, namensgerecht mit Engelsflügeln ausgestattet, haucht den Sängern Leben ein, zieht marionettenhaft die Fäden des Mozartschen Ränkespiels.

Diese Vorgänge beim "Figaro" einer breiteren TV-Öffentlichkeit zu vermitteln, darum kümmert sich Fernsehregisseur Brian Large. Der Mann ist erfahren: Über 500 Übertragungen hat Large bereits zu Kulturdokumenten gestaltet. Darunter den Salzburger "Rosenkavalier" vor zwei Jahren und "Traviata" im Vorjahr. "Im Gegensatz zur Traviata, die große kinoartige Szenen bot, verlangt "Figaro" eine intime Kameraarbeit", erzählt der Brite. "Die Crux sind die Rezitative, in ihnen ereignen sich die wichtigen Handlungsmomente. Wir leben in einer Zeit, in der man durch die Fernsehkanäle zappt. Meine Herausforderung lautet, den Zuschauer so zu fesseln, dass er bei unserer Übertragung bleibt - und das viereinhalb Stunden lang."

1500 Einstellungen hat sich Large zurechtgelegt, um Stars wie Anna Netrebko oder Ildebrando D´Arcangelo auch optisch brillieren zu lassen. Zehn Kameras sind auf das Bühnengeschehen fokussiert, dazu noch zwei ferngesteuerte, die in den weiträumigen Treppenanlagen von Regisseur Claus Guth versenkt sind. Treppen, die er - ähnlich wie bei seinem Bayreuther Holländer 2003 - an einer horizontalen Achse spiegelt.

Wie bei Hitchcock

Die ansonsten karge Bühne hat Large ganz speziell inspiriert. "Als ich in einer der ersten Proben die schwarzen Raben im Fenster und die toten Vögel im Haus gesehen habe, musste ich an Hitchcock denken. Es hat mich gereizt, operngerecht etwas vom Film noir einzubringen."

Mozarts Figaro setzt Brian Large nicht zum ersten Mal für das Fernsehen um, aber: "Diese Inszenierung ist die unkonventionellste, die ich je gemacht habe. Die komischen Elemente haben Harnoncourt und Guth stark reduziert. Für meine Arbeit heißt das, es ist alles eine Frage des Schnitttempos."Ob er eine Produktion betreut oder nicht, prüft Large im Vorfeld genau. Im März gab es erste Gespräche mit dem Regisseur, bereits im Jänner hat er sich über die akustischen Verhältnisse im Haus für Mozart informiert. Bei der ersten Opernproduktion im neuen Haus dabei zu sein, war für den Vielbeschäftigten ein starker Anreiz.

"So eine Gelegenheit bietet sich nur einmal. Es ist wie eine Jungfernfahrt. Wir alle lernen das Haus erst kennen, es gibt seine Akustik erst langsam preis. Alles klingt hell und brillant. Die Sänger lieben es. Bo Skovhus ist von der Diktionsdeutlichkeit angetan. Harnoncourt wiederum hat mir erzählt, dass er das Orchester stark zurückhalten muss, damit der Klang rund und weich bleibt." Nach der Übertragung am Mittwoch ist die Arbeit von Large nicht beendet. Ab 6. August editiert er drei Wochen in Wien die DVD, die bei DG erscheinen wird. Zeit, die Festspiele als Gast zu genießen, bleibe Large nicht. Leider. "In all den Jahren, die ich bei den Festspielen bin, konnte ich mir noch nie den Jedermann anschauen." (Petra Haiderer/DER STANDARD, Printausgabe, 24.7.2006)