The Sleepy Jackson: "Personality (One Was A Spider ­– One Was A Bird)"
Nach seinem wunderbar schwelgerischen Debüt "Lovers" aus 2003 ist dem australischen Pop-Maniac Luke Steele ein weiteres dekadentes Meisterwerk ohne Maß und Ziel gelungen. Die oft beschworenen Säulenheiligen des Genres, Phil Spector, Brian Wilson, ja, sogar das oft (ein bisschen zu Recht) verschmähte Electric Light Orchestra oder die heute etwas vergessenen australischen Pop-Eklektiker Flash & The Pan ("Hey St. Peter", 1977) standen Pate. Abgefeimte, aber zuckersüß an deutschen Existenzialismus-Schlager und Abba angelehnte und im Stile von diesen gesungene Texte HARMONIEREN mit jubilierenden, wie zu Tode betrübt wimmernden Streichern und Chören unisono mit der Leadgitarre. Alles andere klingt verhatscht und schrummt. Das Schlagzeug ist verhallt. Der Bass torkelt zur Bar. Roy Black hätte diese Platte geliebt. (EMI)

Link:
The Sleepy Jackson

Foto: The Sleepy Jackson

Quasi: "When The Going Gets Dark"
Janet Weiss, die Schlagzeugerin der famos krachenden, leider jüngst aufgelösten US-Frauenband Sleater-Kinney, veröffentlicht mit ihrem Exgatten, dem Keyboarder und Sänger Sam Coomes, hier ein weiteres Meisterwerk melodisch wütender Kampfmusik. Erweitert um Gitarre und Bass schreit sich hier ein Duo zu Stakkato- und Free-Piano und rhythmisch "interessant" konterkarierenden Drums die Seele aus dem Leib. Es vergisst dabei allerdings nicht darauf, dem ganzen ruhige, elegische und in den Progrock weisende Instrumentalteile entgegen - und damit die Sache spannend zu halten. Für Hörer, denen die artverwandten Dresden Dolls zu langweilig sind. Toll und anstrengend. (Domino/Edel)

Link:
dominorecord

Foto: Quasi

Cee-Lo Green ...: "Is The Soul Machine"
Bevor der großartige und den Soul ins Jetzt rettende Sänger Cee-Lo Green heuer gemeinsam mit Produzent Danger Mouse als Projekt Gnarls Barkley mit der Single "Crazy" und dem Album "St. Elsewhere" zum weltweiten Retter des etwas heruntergekommenen Sommerhits wurde, veröffentlichte er mit "Cee-Lo Green And His Perfect Imperfections" (2002) und "...Is The Soul Machine" (2004) zwei hervorragende und damals leider etwas untergegangene, durchaus zart durchgeknallte Vorarbeiten. Vor allem letzteres Album beweist mit Gästen wie Pharrell Williams oder Timbaland, dass sich Soul und hochmoderne wie funkige R'n'B-Produktionstechniken visionär wie beseelt vermählen können. Soeben wieder veröffentlicht, machen beide Alben, vor allem aber das zweitgenannte, verdammt viel Spaß. Gnarls Barkley werden übrigens am 29. August mit ihrer ausgeflippten Live-Show (Star Wars-Kostüme!!!) in der Wiener Arena gastieren. Möge die Macht mit uns sein! (BMG-Sony)

Link:
gnarlsbarkley

Foto: Cee-Lo Green

Thom Yorke: "Eraser"
Was soll man sich von einem Album erwarten, dessen zentrale Botschaft im Song The Clock besagt, dass die Zeit für uns alle abläuft und die Würmer schon mal aus der Erde gekrochen gekommen, um zu sehen, was jetzt Sache ist? Die britischen Radiohead gehen nach längerer Burn-out-Phase zwar erst wieder im Herbst ins Studio. Das Soloalbum von Mastermind Thom Yorke mit seinem an die goldenen 90er-Jahre gemahnenden, zerrissenen, leidenden und paranoiden Laptop-Prog-Pop wird uns die Zeit bis zum nächsten Untergang aber gleichwertig versüßen. So gut schlecht wie heute haben wir uns schon lange nicht mehr gefühlt. Radiohead live in unserer Nähe: am 12. August beim Sziget-Festival in Budapest. (XL Recordings)

Link:
The Eraser
Sziget

Foto: Thom Yorke

iLiKETRAiNS: "Progress Reform"
Das britische Quintett tritt live in historischen Eisenbahnuniformen auf und beschäftigt sich textlich etwa mit Captain Scotts verwunschener Expedition zum Pol im Jahr 1912 oder Schachgroßmeister Bobby Fischer und dessen merkwürdige politische Ansichten. Musikalisch wird hier gotischer Pop in der Schule von Echo & The Bunnymen geboten, wie ihn derzeit etwa auch The Editors praktizieren. Dabei wird aber auch nicht auf Johnny Marr von The Smiths und seine stilprägend verhallte Gitarrenarbeit vergessen. Orchester-Samples und Choreinsätze runden das Gesamtbild ab. (Fierce Panda/Trost)

Link:
Fierce Panda

Foto: iLiKETRAiNS

Diverse Interpreten: "Creative Outlaws"
Wer gerade das nostalgische Sixties-Festival "Lovely Days" in St. Pölten (zu Recht) versäumt hat: Hier ist die schon 2005 erschienene Alternative. 22 Songs aus den Sixties, abseits von läppischer Früher-war-alles-besser-Melancholie aus RTL-Shows. Nicht nur Cpt. Beefheart, Jimi Hendrix, MC 5 oder The Stooges sind hier als noch immer zwingende Gäste vertreten. Gerade schattseitige Erscheinungen wie der Voodoo-Künstler Exuma (Kaufen Sie seine Alben!), der reichlich abgefahrene Tiny Tim, Moondog, The Godz und Nina Simone mit dem großartig schwarzhumorigen Antirassismus-Klassiker "Mississippi Goddam" machen die Sache wertvoll. Aktueller Anlass für diesen Tipp: Blue Cheer, die möglicherweise härteste 60er-Jahre-Band, erteilt der gerade wütend brütenden Jahreszeit eine entschiedene Absage. Der "Summertime Blues", nie wurde er zorniger interpretiert. Play loud! (Trikont/Hoanzl)

Link:
Trikont

Foto: Creative Outlaws

The Triffids: "Born Sandy Devotional"
Einer der großen vergessenen Klassiker der zu Herzen gehenden und die Herzen brechenden Balladenkunst der 80er-Jahre, das damals unbedankte Hauptwerk der australischen Triffids um den Gesangstragöden Dave McComb, ist jetzt zum 20-jährigen Jubiläum wieder veröffentlicht worden, inklusive neun Bonustracks. Dave McComb, der Schöpfer von Songperlen wie The Seabirds oder White Open Road, hat seine Sehnsucht nach intensivem Leben nicht bewältigt. Er starb 1999, nachdem er zuletzt die erfolgreiche Triffids Nachfolge-Band The Band Of Black-Eyed Susans gegründet hatte. Bassist Martin Casey spielt heute bei Nick Cave & The Bad Seeds. In dieser Spielklasse ist auch "Born Sandy Devotional" anzusiedeln. (Domino/Edel)

Link:
The Triffids

Foto: The Triffids

Serena Maneesh: "Serena Maneesh"
Der norwegische Multiinstrumentalist Emil Nikolaisen und seine Band führen großkotzige Tugenden des drogeninduzierten Rock im Sinne von Velvet Underground, My Bloddy Valentine oder Spacemen 3 auf ihrem Debüt Richtung Wall of Sound. Sie vergessen dabei aber nicht auf zuckersüße Melodien und eine strenge Inszenierung, die diesen ausufernden Experimenten zwischen weißem Rauschen und mit Acid versetzter Psychedelia die nötige Stringenz und Härte mitgibt. Für Freunde der Dandy Warhols und vor allem des groß- und einzigartigen Brian Johnstown Massacre eine dringende Empfehlung! (Playlouderecordings/Edel)

Link:
Serena Maneesh

Foto: Serena Maneesh

Kante: "Die Tiere Sind unruhig"
"Es ist heiß, und es ist schwül. Das Licht zu hell, die Farben grell. Die Vögel stumm, die Hunde bell'n Gespenster an. Die Hitze kriecht die Straßen lang, das Fieber steigt, die Stadt vibriert. Meine Nerven pulsieren und etwas passiert. Die Tiere sind unruhig, die Kinder nervös. Der Himmel ist fleckig, die Wollen monströs. Ein Sturm ist im Kommen. Es könnte jeden Moment etwas passier'n..." Die deutsche Band Kante bringt im Titelsong ihres neuen, "rockigen" Albums eine Saite im Verfasser zu schwingen, die er bis dato gar nicht bemerkt hatte: Hey, deutsche Studentenpopper können ja momentane Befindlichkeiten durchaus auf den Punkt bringen! Auch der Rest dieses breit ausladenden wie zwingenden Pop ist 2006 näher bei Die Sterne als bei Blumfeld beheimatet. Gute Sache! (EMI)

Link:
kantemusik

Foto: Kante

Blurt: "The Best Of Blurt Volume 1: The Fish Needs A Bike & The Best Of Blurt Volume 2: The Body That They Built To Fit The Car"
Der ewig unbedankte, große britische No-Wave- und Free-Jazz- wie Punk-Funk-Veteran Ted Milton hat sich stur und unbeirrt während des letzten Vierteljahrhunderts einen Katalog erarbeitet, der seinesgleichen sucht. Immer streng in Triobesetzung wütet er mit Saxophon und deklamierend am Mikrophon zu sinistrer, repetitiver Gitarre- und Schlagzeugbegleitung gegen alles, was der Fall ist. Und das ist ziemlich viel. Eine beängstigende, zeitlose wie aktuelle Kampfmusik: "My mother was a friend of an enemy of the people!"

Link:
Ted Milton
Salamander Records

Foto: Blurt