Miguel de Unamuno, 1864 in Bilbao geboren, Philosoph und Rektor der Uni Salamanca, stellte sich 1936 dem Todeskult der Generäle entgegen.

Die mörderische Wirklichkeit der Franco-Herrschaft stieß den überragenden spanischen Denker Miguel de Unamuno, obwohl er im Aufstand zunächst einen Kampf für die Zivilisation sah, bald ab. Unamuno war Rektor der ehrwürdigen Universität von Salamanca, einer Stadt, die von Anfang an Franco zugefallen war. Am 12. Oktober 1936, dem spanischen Nationalfeiertag (in Erinnerung an Kolumbus'Entdeckung der Neuen Welt), brachte der 72-Jährige in einer furchtlosen Rede sein Entsetzen über die faschistische Barbarei zum Ausdruck.

Zunächst hatte dort der General Millán Astray das Wort vor den illustren Gästen, mit dem Bischof von Salamanca und Francos Frau an der Spitze, ergriffen. Er tobte gegen Basken und Katalanen als "Krebsgeschwüre Spaniens", und auf Zurufe mit der Parole der Fremdenlegion, "Viva la muerte!"(Es lebe der Tod) steigerte er sich: "Da das gesunde Fleisch die Erde ist und das kranke Fleisch das Volk, das darauf wohnt, werden der Faschismus und die Armee das Volk auslöschen und die Erde wieder als das heilige Gut der Nation einsetzen . . ."Und er dankte den Marokkanern, die "für Spanien gegen die Spanier kämpfen".

Negative Schöpfung

Darauf ergriff Rektor Unamuno das Wort. Das Auditorium war schon bestürzt, als er darauf hinwies, dass der Bischof ein Katalane und er selbst ein Baske sei. Er wolle das dem General nicht als persönlichen Affront ankreiden. Dann aber kam Unamuno zum Kern seiner Kritik: "Gerade eben hörte ich den todessüchtigen Schrei 'Lang lebe der Tod!'Für mich ist das gleichbedeutend mit einem anderen Ruf: ,Zum Teufel mit dem Leben!'Und ich, der ich Jahre damit verbrachte, Paradoxe zu formulieren . . ., muss sagen, dieses seltsame fremde Paradox stößt mich ab. Da ich mich zu einer Würdigung des letzten Redners aufgerufen sehe, kann ich es mir nur so erklären, dass er es an sich selbst gerichtet hat, wenngleich in einer seltsam quälenden Form, an sich selbst, der er ein Symbol des Todes ist. Und nun etwas anderes. General Millán Astray ist ein Krüppel. Ich sage dies ohne den leisesten Unterton. Er ist ein Kriegsinvalide. So auch Cervantes. Aber Extreme ergeben nicht die Regel; sie entziehen sich ihr vielmehr . . . Er möchte Spanien neu schaffen - eine negative Schöpfung - nach seinem eigenen Bilde. Und deshalb wünscht er Spanien verkrüppelt, wie er uns unzweideutig klargemacht hat."

Da schrie der General wütend in den Saal: "Tod der Intelligenz!"Ein anderer suchte zu mildern: "Nein, lange lebe die Intelligenz. Tod den schlechten Intellektuellen!"

"Tempel entweiht"

Und Unamuno setzte noch einmal an: "Dies ist ein Tempel des Verstandes. Und ich bin sein Hohepriester. Sie aber sind es, die ihn entheiligt haben. Ich war immer, was das Sprichwort auch sagen mag, ein Prophet in meinem eigenen Land. Sie werden gewinnen, aber Sie werden nicht siegen. Sie werden gewinnen, weil sie die nackte Gewalt besitzen, aber Sie werden nicht siegen, denn um zu siegen, muss man überzeugen. Und um zu überzeugen, müssten Sie besitzen, was Ihnen fehlt: Verstand und Recht zu diesem Kampf. Ich erachte es als sinnlos, Sie zu ermahnen, an Spanien zu denken. Ich habe nichts mehr zu sagen."

Im Auditorium kam es nach ein paar Augenblicken bestürzten Schweigens zu aufgeregten Kontroversen. Ein Professor der Rechte nahm geistesgegenwärtig Unamuno beim Arm und bot seinen anderen Frau Carmen Pola de Franco an. So schritten sie durch die Menge aus dem Saal.

Als Franco von dem Vorfall benachrichtigt wurde, wollte er den Rektor sofort erschießen lassen. Dann aber besann man sich, dass ein solches Vorgehen den sich selbst als "Errettungsbewegung" bezeichnenden Nationalen im In- und Ausland großen Schaden zufügen würde. Unamuno wurde aber unter Hausarrest gestellt und bewacht. Er starb zu Silvester 1936 an einem Schlaganfall.

(Nach "Der Spanische Bürgerkrieg in Augenzeugenberichten", herausgegeben von Hans-Christian Kirsch Düsseldorf 1967) (Manfred Scheuch/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29./30. 7. 2006)