Federico García Lorca, 1898 in Granada geborener Schriftsteller, der als einer der bedeutendsten Spaniens gilt, wurde im August 1936 von Faschisten ermordet.

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Am 19. Juni 1936 las Federico García Lorca, der Dichter, der in jenen Jahren mit dem Drama "Yerma" seinen gefeierten Durchbruch auf der spanischen Bühne erlebt hatte, in Madrid sein eben vollendetes Stück "Das Haus der Bernarda Alba" vor. Die letzten Sätze hätten wie eine Vorahnung der kommenden Tragödie erscheinen können, die weder dem Dichter selbst noch seinem Publikum vorstellbar war: "Kein Geklage. Dem Tod muss man ins Gesicht sehen . . . Tränen, wenn du allein bist! Wir alle tauchen in ein Meer von Tränen. Schweigen . . . Schweigen!"

Zwei Monate später, am 19. August 1936, wurde Spaniens bedeutendster Dichter des 20. Jahrhunderts von den Faschisten ermordet. Er war in seine Heimatstadt Granada zurückgekehrt und dort geblieben, als der Aufstand des Militärs ausbrach. García Lorca sah sich als Dichter, der sich nicht uniformieren ließ, der keiner Partei angehörte und keine Pamphlete schrieb. Seine Werke wandten sich gegen Ungerechtigkeit und Gewalt, gegen den patriarchalischen Sittenkodex seiner Heimat und traten - konkretisiert an Liebe Tod - für weibliche Selbstbestimmung ein.

Anti-Nationalist

"Ich bin ganz und gar Spanier, und es wäre mir unmöglich, außerhalb meiner geographischen Grenzen zu leben; aber ich hasse den Spanier, der Spanier ist, nur um Spanier zu sein und sonst nichts . . . Der für eine abstrakte nationalistische Idee aus dem einzigen Grund sich opfert, dass er sein Vaterland mit einer Binde um die Augen liebt", bekannte García Lorca in einem Interview. Genau solche Spanier aber waren in dem von Franco eroberten Andalusien nun am Zug.

Federico García Lorca kam am 5. Juni 1898 in der Familie eines reichen Großgrundbesitzers zur Welt. Allerdings mit einem "Geburtsfehler": seine Familie waren "Verräter" an ihrer Klasse, sie waren liberal, antiklerikal und begeisterten sich für die Republik. Sie hatten keine Berührungsängste zu den Sozialisten: Federicos Schwester Concepción war mit Granadas Bürgermeister, dem Arzt und Gewerkschafter Manuel Fernández Montesino, verheiratet. Er wurde am 3. August erschossen.

Dieses Ereignis und Warnungen, dass auch er auf der Mordliste stand, veranlassten den Dichter, das ihm von seinem Jugendfreund, dem falangistischen Dichter Rosales, angebotene Gastrecht in Anspruch zu nehmen. Aber der konnte ihn nicht retten, als die "Schwarze Eskadron" der Verhaftungskommandos in der Nacht zum 18. August ihn aus dem Bett holte, aus dem Haus schleppte und in einem Gefängniskeller einsperrte.

Exekutionskommando

Am nächsten Abend wurde er mit anderen Gefangenen zum nahen Bergdorf Viznar gebracht, wo die Falange ihr Waffenversteck hatte. Im Morgengrauen des 19. August wurden in eine Schlucht geführt, dort mussten sie ein gemeinsames Grab ausheben. Ein Geistlicher nahm ihnen die Beichte ab. Das Exekutionskommando bestand aus einem Abgeordneten der "christlichen" CEDA, einem Angehörigen der rechtsextremen Jugendorganisation "Accion Popular" und einem falangistischen Großgrundbesitzer, der sich unter seinen Kumpanen rühmte: "Wir haben Federico García Lorca getötet. Ich habe ihm, dem Homosexuellen, zweimal in den Arsch geschossen."

Offiziell erklärten die faschistischen Behörden, als die Ermordung des Dichters ruchbar wurde, sie wüssten nichts von seinem Aufenthalt. Allerdings hatten sie übersehen, dass in der Zeitung von Granada, El Ideal, die täglich die Liste der Hingerichteten veröffentliche, am 20. August auch der Name des Dichters aufschien. Trotzdem blieb der Tod García Lorcas in Franco-Spanien ein Tabuthema.

Als es um 1950 zu Reibereien zwischen Falange und Klerikalen kam, sagte aber Exminister Serrano Suner in Mexiko, der Schuldige an dem Tod des Dichters sei der CEDA-Mann Ruiz Alonso. Der Ort der Erschießung blieb geheim, die Schlucht von Viznar wurde von den Dorfbewohnern gemieden, doch dem Engländer Gerald Brenan gelang es, den Platz auszuforschen. "In Spanien ist ein Toter als Toter lebendiger als sonst wo auf der Welt"; sagte García Lorca einmal. "Sein Profil versehrt wie die Schneide eines Rasiermessers." (Manfred Scheuch/DER STANDARD, Printausgabe, 2. 8. 2006)