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Vorn als Schatten zu sehen, stehen Besucher vor Picassos Guernica im Reina-Sofia-Museum in Madrid.

Foto: AP/Bernat Armangue
Sollte die Unterwerfung nicht umgehend erfolgen, so werde ich Biscaya dem Erdboden gleichmachen, wobei ich mit der Kriegsindustrie anfange." So hatte General Emilio Mola bei Beginn seines Feldzugs gegen die Basken gedroht. Es sollten aber nicht die Waffenfabriken sein, an denen er sein Exempel statuierte, sondern ein friedliches kleines Landstädtchen - allerdings ein für die Basken ganz besonderes, ja heiliges: Guernica, baskisch Gernika, 30 Kilometer östlich von der Hauptstadt Bilbao.

Geistiges Zentrum

Es ist seit altersher das geistige Zentrum der Basken. Sie praktizierten hier (bis zum Verbot 1878) in Volksversammlungen ihre bäuerliche Demokratie, bewundert einst von dem Philosophen Jean-Jacques Rousseau, der im 18. Jahrhundert schrieb: "In Guernica leben die glücklichsten Menschen der Welt. Ihre Angelegenheiten regeln sie durch eine Körperschaft von Bauern unter einer Eiche, und stets verhalten sie sich klug."

Ein Angriff auf Guernica war das Letzte, was die Basken befürchteten. Aber der General dachte anders: Genau an diesem Ort ohne jede militärische Bedeutung wollte er das baskische Selbstbewusstsein treffen. Er fand dafür im Oberkommandierenden der deutschen "Legion Condor", Wolfram von Richthofen (einem Neffen des legendären Weltkriegsjagdfliegers, des "roten Baron" Manfred von Richthofen) einen willigen Helfer. Hitler und Göring hatten ihm freie Hand für die Einsätze der deutschen Bomber gegeben - nicht nur, um den spanischen Faschisten zu helfen, sondern auch mit dem Auftrag, Technik und Wirkung der Kampfmaschinen für den kommenden großen Krieg zu erproben.

In Guernica lebten damals nicht nur Einheimische, sondern auch zahlreiche Flüchtlinge aus den von Franco eroberten Landesteilen. Ohne Luftabwehr, ohne Jagdflugzeuge war Guernica wehrlos einem Angriff ausgeliefert. Um der Bombardierung, die Mola befahl, ein Mäntelchen zu geben, sollte vor allem eine Brücke getroffen werden, um den Rückzug der republikanischen Truppen zu verhindern. Wenn dabei auch das Städtchen getroffen würde, wäre das (in der grausigen Sprache unserer Tage) ein "Kollateralschaden". Göring bekannte beim Nürnberger Prozess offen: "Mir gab Spanien die Gelegenheit, meine junge Luftwaffe zu erproben, und den Leuten, Erfahrungen zu sammeln."

Am 26. April 1937 um 16.40 Uhr begann der Hauptangriff. Er erfolgte in mehreren Wellen und dauerte bis in die Abendstunden. Der Ort wurde mit Spreng- und Brandbomben in Schutt und Asche gelegt, es war das erste Flächenbombardement der Kriegsgeschichte. Flüchtende wurden mit Maschinengewehren beschossen. Von den rund fünftausend Bewohnern Guernicas kamen 1654 ums Leben, 880 wurden schwer verwundet. Wie durch ein Wunder blieb die baskische "heilige Eiche" unbeschädigt. Hingegen wurde das Rathaus, in dem sich die wertvollsten Dokumente der baskischen Geschichte befanden, zerstört.

Angesichts der internationalen Empörung verlangte Hitler von Franco ein Dementi. Dieser ließ in einem Kommuniqué behaupten, die Basken selbst hätten die Stadt mit Benzin in Brand gesteckt, um sie nicht in seine Hände fallen zu lassen. Das glaubte natürlich niemand. Pablo Picasso malte für den Pavillon der spanischen Regierung auf der Pariser Weltausstellung 1937 ein Wandgemälde, das die Zerstörung von Guernica - "ein Experiment des Schreckens" (Churchill) - festhielt. Erst nach Francos Tod kam das Werk des großen Malers in dessen spanische Heimat.

Neuartiger Luftkrieg

Der Probelauf für diese neue Art des Luftkriegs wurde mit Beginn des Zweiten Weltkriegs mit dem Bombardement Warschaus durch die Stukas und mit den von Hitler zynisch "Ausradieren" bezeichneten Angriffen auf Coventry und andere englische Städte fortgesetzt. Die Terrorisierung der Zivilbevölkerung durch Flächenbombardements kehrte dann nach Deutschland zurück und fand in den Zerstörungen von Hamburg und Dresden furchtbare Höhepunkte der Vergeltung. (Manfred Scheuch/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4.8.2006)