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Das Panzerschiff "Deutschland" (das später den Namen "Lützow" bekam) wurde vor Ibiza beschossen.

Foto: Archiv
Am Abend des 26. Mai 1937 ankerte das deutsche Panzerschiff "Deutschland" vor der Baleareninsel Ibiza. Plötzlich erschienen zwei Flugzeuge, die gegen die untergehende Sonne nicht als republikanische identifizierbar waren. Sie überflogen das Schlachtschiff und warfen zwei Bomben ab. Eine davon traf die Matrosenmesse. 22 Mann der Besatzung waren sofort tot; von den übrigen 83 Verwundeten starben in den darauf folgenden Tagen weitere zehn. Das Schiff war noch manövrierfähig und nahm Kurs auf das britische Gibraltar. Dort wurden die Verwundeten zur Pflege aufgenommen.

Tobender Hitler

Hitler tobte, als ihm die Nachricht von so vielen deutschen Toten gemeldet wurde. Er drohte sofort mit harten Vergeltungsmaßnahmen. Sechs Stunden lang beriet er mit Außenminister Konstantin von Neurath über die zu setzenden Schritte. Im Morgengrauen des 31. Mai erschienen ein Kreuzer und vier Zerstörer vor Almeria und beschossen die Stadt; es gab 19 Tote und schwere Schäden an Gebäuden. Der Sonderbeauftragte Ribbentrop kündigte die deutsche Beteiligung am Nichteinmischungsausschuss und an der Seekontrolle auf; Italien folgte diesem Beispiel. Die auf Appeasement eingestellten Engländer meinten, Deutschland solle den Roten doch nicht den Gefallen tun, aus der spanischen Situation einen Weltkrieg zu machen".

Das war freilich nicht nur ein Anliegen Großbritanniens. In Valencia verlangte der sozialistische Kriegsminister Prieto einen Bombenangriff auf die deutsche Flotte im Mittelmeer. Wenn daraus ein Weltkrieg entstünde, sei das für die spanische Republik eine Chance, denn dann müsste Hitler die Hilfe für Franco einstellen. Premier Negrin meinte, darüber müsse man mit Staatspräsident Azana und den Freunden beraten. Als den Vertretern der Komintern - unter ihnen Togliatti, der italienische KP-Chef, der aus dem Moskauer Exil nach Spanien geschickt worden war - Prietos Ansinnen unterbreitet wurde, herrschte blankes Entsetzen. Sofort wurde ein Gespräch mit "la casa" (so wurde Stalins Büro in der spanischen KP genannt) hergestellt. Stalins Antwort: Auf keinen Fall einen Weltkrieg provozieren. Prietos Plan sei zu verhindern; wenn er ihn trotzdem auszuführen sucht, sei er zu beseitigen.

Die völkerrechtliche Situation für den Vorfall sah so aus: Auch wenn die Republikbehörden nach der anfänglichen Behauptung, die "Deutschland" habe zuerst auf die Flugzeuge gefeuert, zugaben, dass die deutsche Darstellung des Bombardements stimme, so war - selbst wenn die Piloten undiszipliniert gehandelt hätten - die "Deutschland" ein legitimes Objekt für einen republikanischen Luftangriff, weil der Hafen von Ibiza von den Aufständischen besetzt war und sein Besuch nicht zu den Kontrollpflichten der Seekontrolle gehörte.

Wie sehr diese Seekontrolle - wie die ganze "Nichteinmischung" - eine Farce war, geht aus dem emsigen Einsatz der italienischen U-Boote im Mittelmeer und sogar im Atlantik hervor. Die Angriffe erfolgten vor allem auf sowjetische Schiffe, in denen Waffenlieferungen vermutet wurden. Das Handelsschiff "Tunijajew" wurde vor Algier versenkt, die "Blagajew" bei Skyros. Offensichtlich ein Erfolg: Im ganzen Monat September 1937 erreichte kein russisches Schiff Spanien. Aber auch englische, französische und neutrale Schiffe wurden von "unbekannten" U-Booten angegriffen (dass es italienische waren, geht aus den Tagebüchern von Außenminister Ciano hervor).

"Piratenwesen"

Großbritannien lud zu einer Konferenz die Mittelmeerstaaten (ohne Spanien) sowie Deutschland und die Sowjetunion nach Nyon ein. Thema: "Piratenwesen im Mittelmeer". Der sowjetische Vertreter klagte Italien der Urheberschaft an. Ciano leugnete, dass sich die Balken bogen. So wurde beschlossen, dass westlich von Malta englische und französische Zerstörer das Meer kontrollieren sollten. Italien lenkte auf seine Weise ein: Es übergab einige U-Boote an Franco.

Vergeblich verlangte Premier Negrin vor dem Völkerbund die Aufhebung der "Nichteinmischung" (die der Republik die Möglichkeit geboten hätte, Waffen nicht nur von der Sowjetunion zu beziehen). (Manfred Scheuch/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5./6. 8. 2006)