Zu siegen oder zu sterben propagierten Milizionäre der POUM, die sich als linksrevolutionäre Partei verstand.

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Schon in den ersten Monaten des Jahres 1937 hatte die kommunistische Presse begonnen, die angeblich trotzkistische Partei POUM (Partido Obrero de Unificación Marxista), die auch eigene Miliz-Einheiten stellte, zu attackieren. Nach dem an-archistischen Aufstand in Barcelona wurde diese kleine Partei, die sich selbst als leninistisch verstand und den Stalinismus verurteilte, offen als "5. Kolonne" Francos und als faschistisch angegriffen. Ministerpräsident Largo Caballero, von der Haltlosigkeit dieser Vorwürfe überzeugt, weigerte sich, gegen POUM vorzugehen. Das war ein Grund, dass er auf russischen Druck gehen musste.

Die neue Regierung Negrín war eine des - von den Kommunisten erzwungenen - "Rucks nach rechts": in ihr standen Rechtssozialisten, bürgerliche Liberale und Autonomisten im Vordergrund, dirigiert von der KP, in deren Hand die so-wjetischen Waffenlieferungen lagen.

Die sowjetischen Berater - so berichtet der Augenzeuge Franz Borkenau aus Gesprächen - leugneten die offenkundige Revolution, die in Gang gekommen war; was da seitens der bewaffneten Arbeiter getan würde, seien allenfalls Notstandsmaßnahmen, es gehe ausschließlich darum, dass eine Regierung gegen ihre eigene Armee kämpfen müsse. Und das war plötzlich von Kommunisten zu hören, die bisher auf der ganzen Welt "revolutionäre Situationen" entdeckt hatten!

Stalins Interesse

Juan Negrín konnte der nun einsetzenden Hexenjagd auf POUM keinen Widerstand mehr entgegensetzen. Er fügte sich in die Parole "Ganar la guerra!" (Erst den Krieg gewinnen), wie sie möglicherweise taktisch richtig war (allerdings den Arbeitermassen die Begeisterung für den Widerstand nahm), aber vor allem im Interesse von Stalins Außenpolitik formuliert war.

Am 11. Juni 1937 wurde eine Anklageschrift gegen POUM veröffentlicht. Die Partei habe die demokratische Regierung stürzen und eine Diktatur des Proletariats errichten wollen, sie habe die befreundete So-wjetunion beleidigt und angegriffen, Verbindungen zu Trotzki gehabt und sei direkt im Dienste des Faschismus gestanden (was mit von gefangenen Falangisten gefälschten Papieren, etwa einem "Brief" des Parteiführers Andrés Nin an Franco, "bewiesen" wurde). Das war die Sprache der in Moskau laufenden Schauprozesse gegen Altkommunisten und das Offizierskorps der Roten Armee.

Sowjet-Folterkeller

Am 16. Juni wurden nachts alle Mitglieder des POUM-Exekutivkomitees verhaftet. Andrés Nin verschwand in einem der vom NKWD in Spanien eingerichteten Folterkeller. Die Regierung heischte Auskunft über seinen Verbleib, erfuhr aber nichts. Negrín sagte im Ministerrat, die Russen benähmen sich in Barcelona wie im eigenen Land (am 12. Juni waren in Moskau Tuchatschewski und seine Generäle erschossen worden). Der Innen- und der Kriegsminister protestierten gegen die Ausschaltung der Regierung von den Vorgängen. Aber sie alle waren hilflos, weil die Sowjetunion das einzige Land war, das der Republik Waffen lieferte. Die "Nichteinmischung" des Westens hatte sie unlösbar an Stalin gebunden.

Nach dem Bericht eines Exkommunisten soll Nin bei einer fingierten "Befreiungsaktion" durch angebliche Gestapoagenten (wofür man deutsche Interbrigadisten missbraucht haben soll) ermordet worden sein, nachdem seine Standfestigkeit trotz Folter einen Schauprozess unmöglich gemacht hatte. Etliche POUM-Mitglieder wurden zu Freiwild für die kommunistische Geheimpolizei; auch ein Österreicher, Kurt Landau, wurde ihr Opfer George Orwell, der sich einer POUM-Einheit angeschlossen hatte, entging knapp dem gleichen Schicksal. Diese Vorgänge trugen zu der Angstvision vom "Großen Bruder" bei, die er in seinem Roman "1984" festgehalten hat.

Einige POUM-Führer wurden - erst im Oktober 1938 - in einem Hochverratsprozess dann doch vor Gericht gestellt. Expremier Largo Caballero sagte für sie aus, und sie erhielten nur Gefängnisstrafen. Aber da hatte Stalins langer Arm auch schon durchgesetzt, was ihm in der Situation von 1937 so bedeutsam war. (Manfred Scheuch/DER STANDARD, Printausgabe, 9. August 2006)