10) Siouxsie & the Banshees: "Helter Skelter"

Verbesserbar sind selbst die Beatles: Deren Originalversion (1968) fiel im Refrain nämlich eher schunkelig-gemütlich aus - wenn eine Nummer schon "Holterdipolter" heißt, erwartet man sich aber auch entsprechend dynamischen Verlauf. Und den lieferte Siouxsie Sioux zehn Jahre später nach: Aus düsterer Anfangsstarre setzt sich der Song allmählich in Bewegung, um schließlich in hämmernden Punk und einen herrisch geröhrten Refrain zu münden; natürlich mit dem für Ms Ozonlochfrisur typischen Pathos. 1987 gab die Gruftie-Ikone ein gelungenes Album mit Coverversionen (von Billie Holiday bis Iggy Pop) heraus - "Helter Skelter" aber erschien ganz am Anfang ihrer Karriere auf "The Scream". (Polydor 1978)

Coverfoto: Polydor

9) John Wesley Harding: "Like A Prayer"

Eines muss man Frau Ciccone auf alle Fälle lassen: ein Gespür dafür, mit wem sich eine Kooperation auszahlt. Gemeinsam mit Madonna schuf Songwriter Patrick Leonard Ohrwürmer wie "Live To Tell", "La Isla Bonita" - oder eben "Like A Prayer" (1989). Die Qualität des Songs, seine melodische Stärke, zeigt sich spätestens in der skelettierten Version ohne Dancebeats, Gospelchor und Begleitskandal: Ausschließlich auf Akustikgitarre und sanften Gesang bauend, interpretiert Folkpop-Sänger John Wesley Harding den Mega-Hit als stilles, ergreifendes Liebeslied. Erschienen auf "God Made Me Do It. The Christmas EP". (Warner 1989)

Coverfoto: Warner

8) Mari Wilson: "Perhaps, Perhaps, Perhaps"

... vulgo der Titelsong der genialen Britcom "Coupling". Das Original "Quizás, Quizás, Quizás" aus dem Jahr 1947 stammt aus der Feder von Osvaldo Farrés und ist ein tausendfach interpretierter Easy Listening-Klassiker. Mari Wilson, eine der ultraglamourösen New Wave-Diven des Frühachtziger-Labels Compact Organization, nimmt sich des Songs zwar in ziemlich klassischer Weise an - aber mit dem ihr eigenen lasziven Schmelz, der die Konkurrenz erblassen lässt. Der Horror an der Sache: Das Lied scheint nie veröffentlicht worden zu sein (außer auf der Serien-DVD), nicht zu fassen. Falls jemand andere Informationen hat: bitte melden!

Coverfoto: BBC/Warner, Montage: derStandard.at

7) Natalie Merchant: "Space Oddity/The Gulf of Araby"

... "Space Oddity" deshalb, weil die Zeile Take your protein pills and put your helmet on so mütterlich gesäuselt wird, dass der Text ungeahnte Subebenen eröffnet. - Natalie Merchant, Ex-Sängerin der 10.000 Maniacs, kann aber auch anders, und das beweist sie im Song "The Gulf of Araby" der relativ unbekannten Sängerin Katell Keineg. Von hauchzartem, fast schon brüchigem Gewisper bis zu dröhnendem Stimmvolumen geht Natalie hier für ein ebenso hoffnungsvolles wie ernüchterndes Antikriegslied über die volle Distanz. Das ist große Oper! - Beide Songs sind auf dem Album "Live in Concert" erschienen. (Elektra 1999)

Coverfoto: Elektra

6) The Leather Nun: "Gimme Gimme Gimme (A Man After Midnight)!"

Zwanzig Jahre vor Madonna nahmen sich schon die Hart-aber-mit-Stil-Rocker The Leather Nun aus Schweden des Songs ihrer Landsleute ABBA an. Noch schwerer als Jonas Almqvists Stimme lasten die Gitarren auf dem 1979er Disco-Hit; als würde man tonnenschwere Bleiplatten über den Jupiter schleppen. - Gelungen ist der Aufrockungseffekt auch bei Big Black mit "The Model" (Kraftwerk), The Jesus and Mary Chain mit "Surfin' USA" (Beach Boys) und Killdozer mit "Unbelievable" (EMF) - dieser Fels von einem Lied überragt jedoch alle. (Wire 1986)

Foto: Wire

5) Gerty Molzen: "Walk On The Wild Side"

Vorneweg: Nein, hier geht es nicht um Skurrilität - auch wenn die Umstände kaum ungewöhnlicher sein könnten. Schauspielerin Gerty Molzen war bereits 79, als sie als "Pop-Sängerin" zur Kultfigur wurde - mit Coverversionen etwa von Culture Clubs "Do You Really Want To Hurt Me" und vor allem der ultimativen Version von Lou Reeds "Walk On The Wild Side" (1972). Mit knüppeldickem deutschem Akzent halb gesprochen, halb gesungen, vernuschelt und akute Ängste um Gebissverrutschung erweckend - aber ich schwöre jeden Eid: Noch nie hat die Zeile Hey sugar, take a walk on the wild side so cool geklungen wie aus Gerty Molzens Mund. (Teldec 1985)

Coverfoto: Teldec

4) Klaus Nomi: "The Cold Song"

Der jenseits aller Geschlechtlichkeit thronende Countertenor Klaus Nomi interpretierte im Verlauf seiner allzu kurzen Karriere eine ganze Reihe von Songs aus fremder Feder ("Ding Dong The Witch Is Dead", "You Don't Own Me", etc etc) - unerreicht ist aber ein Stück, das den Begriff "Coverversion" zugegebener- maßen ein wenig streckt - bis ins 17. Jahrhundert nämlich: Der "Cold Song" stammt aus Henry Purcells Oper "King Arthur", wird von Nomi in - abgesehen vom Synthesizer - klassisch orchestrierter Arienform gesungen und wurde in dieser Version wegen ihrer atmosphärischen Wirkung mehrfach für Filmsoundtracks verwendet: Atemberaubend schön und kälter als flüssiges Helium: Let me, let me freeze again to death ... (RCA 1981)

Coverfoto: Sony/BMG

3) Laibach: "Geburt einer Nation"

Trommeln schlagen einen Marschrhythmus, Fanfaren schmettern, eine pathos- triefende Stimme grölt: Ein Fleisch, ein Blut, ein wahrer Glaube. Eine Rasse und ein Traum, ein starker Wille. Schluck. Was bei Laibach wie ein Reichsparteitagsaufmarsch klingt, ist allerdings bloß die erstaunlich akkurate Übernahme eines ach so naiven Songs von Queen: "One Vision" aus dem Jahr 1986; eingedeutscht und mit (synthetischer, aber klang- echter) Neuinstrumentierung den unbedarften Umgang der Altrocker mit machtvollen Wörtern entlarvend. In den 60ern und 70ern wurde von Musiktheoretikern mehrfach angedacht, Parallelen zwischen Popstardom und Führerkult, Massenhysterie und Faschismus zu ziehen - die slowenische Industrialband tut's auf ihre Weise: Konsequent und Missverstandenwerden in Kauf nehmend. Jawoll! ("Opus Dei", Mute 1987)

Coverfoto: Mute

2) Johnny Cash: "Hurt"

Dieser Song sitzt allen noch so in den Knochen, dass man nicht viele Worte darüber verlieren muss. Bloß dass er 1994 im Original von Trent Reznors Nine Inch Nails erschienen ist, wird wohl zunehmend in Vergessenheit geraten - denn kaum ein anderes Mal in der Musikgeschichte hat jemand eine Coverversion so sehr zu seinem eigenen Song gemacht: Everyone I know goes away in the end, and you could have it all: my empire of dirt als Rückblick auf ein Leben, das bald darauf enden sollte - und dazu ein zu Recht preisgekröntes Video, das n-i-e-m-a-n-d-e-n ungerührt lassen kann. - Reznor selbst bezeichnet "Hurt" als "den Song, der nicht mehr meiner ist". (American Recordings 2002)

Coverfoto: Lost Highway

1) The Flying Lizards: "Money (That's What I Want)"

The best things in life are free - but you can give them to the birds and bees: I want money. Noch ein Meilenstein der Musikgeschichte, stand er doch am Beginn des Motown-Erfolgs. Allerdings ist die 1959 von Barrett Strong gesungene Originalversion eine fröhliche Soulnummer und wird dem zynischen Songtext damit nicht annähernd so gerecht wie die Version der Flying Lizards: Ein klapperndes rasselndes schepperndes New Wave-Ding, das im Hals stecken bleibt wie eine Fischgräte. Mit dem absoluten Highlight: Deborah Evans' distanziert-spröder Stimme: so unendlich gleichgültig wurde der Satz Your love gives me such a thrill noch nie artikuliert. All-time-favourite in Sachen Coverversionen, unüberbietbar. (Virgin 1979)