Zur Person

Dr. Christiane Soeder (geboren 1975 in Deutschland) war Leichtathletin (Mehrkampf und Mittelstrecke), und Weltklasse im Duathlon. 2002 Wechsel in den Radsport, Profi bei Univega und Uniqa Graz. Teilnahme bei Olympia 2002 in Athen, mehrfache österreichische Meisterin. Etappensiege bei Weltcuprennen, heuer Zweite bei der Flandernrundfahrt. Sie lebt in Wien und trainiert im Schnitt bis zu 700 Kilometer pro Woche.

Mit Christiane Soeder sprach Michael Robausch

Foto: Robausch

derStandard.at: Sie sind bei zwei Teams gleichzeitig engagiert, Uniqa Graz und beim Schweizer Team Univega. Wie funktioniert das?

 

Christiane Soeder: Ich fahre international für die Schweizer, also eigentlich die meisten Rennen und national für Uniqa Graz. Viele sind in zwei Teams, auch bei den Männern. Das hat auch Vorteile, weil man so auch in Österreich eingebunden ist – zum Beispiel bei den Staatsmeisterschaften. Und für das Team ist es auch gut, weil die können sich dann auch vermarkten. Aber ich fahre in Österreich ohnehin nicht viele Rennen, vielleicht mal ein paar Cup-Rennen wenn’s reinpasst.

International läuft es sehr gut, wir führen im Weltcup im Einzel und in der Mannschaft. Das ist für uns selbst überraschend, weil wir doch ein recht kleines Budget haben. Im Vergleich zu T-Mobile etwa. Aber wir haben eine sehr gute Infrastruktur, da wird sehr viel Wert darauf gelegt. Die Betreuung ist sehr professionell, wir haben die besten Physiotherapeuten und auch super Material. Und wir haben auch gute Fahrerinnen: Nicole Cook führt im Weltcup, Karin Thürig ist amtierende Weltmeisterin im Zeitfahren.

derStandard.at: Mehrere Top-Fahrerinnen in einem Team, das macht also keine Probleme?

Soeder: Nein, eher im Gegenteil. Man profitiert ja auch voneinander. Der Frauenradsport ist professionell genug dass man weiß, dass das eine Mannschaft ist. Und wir verstehen uns auch gut im Team. Man weiß halt einfach, dass man zusammenhalten muss. Sonst kann man es auch nicht schaffen. Wenn Nicole Cook den Weltcup gewinnt, weiß jeder der Ahnung vom Radsport hat, dass sozusagen das Team den Weltcup gewonnen hat. Denn die Helfer müssen genauso viel arbeiten, oft sogar noch mehr – das ist ja das Paradoxe.

derStandard.at: Kann man die Teamstrukturen also mittlerweile mit denen bei den Männern vergleichen, auch was die interne Differenzierung von auszufüllenden Rollen betrifft?

Soeder: Das ist wesentlich professioneller geworden. Es gibt jetzt bei den Rennen auch viel mehr Teilnehmerinnen. Als ich angefangen habe war ja das Feld noch nicht so groß, aber mittlerweile hat man bei allen Rennen an die 150 Teilnehmerinnen.

Die Rennen sind natürlich nicht so lang wie bei den Männern, etwa bis 130 Kilometer. Rundfahrten wie der Giro gehen maximal über zwei Wochen. Dadurch ist auch das Doping-Thema nicht so krass wie bei den Männern. Es gibt zwar sicher auch bei uns welche die was nehmen, aber es ist halt nicht so notwendig. Und ich habe auch beobachtet, dass bei Weltmeisterschaften die Frauenrennen für die Zuschauer oft interessanter sind. Weil bei den Männerrenenn sind die ersten zwei Stunden ja so langweilig, da tut sich natürlich nix. Und bei den Frauen ist es mehr: auf die Plätze, fertig, los!

derStandard.at: Wie würden Sie die Leistungsdichte einschätzen, gibt es noch ein größeres Leistungsgefälle innerhalb des Starterfeldes?

Soeder: Mittlerweile eben nicht mehr. Ich würde sagen, dass von den 150 sechzig, siebzig wirkliche Profis sind. Dann gibt’s schon einen Abfall. 20 oder 30 kommen dann von nationalen Teams, die bei den Weltcuprennen mitfahren dürfen. Die sind dann deutlich schlechter. Die fahren dann zwei Runden mit und das war’s dann.

derStandard.at: Ist das was im Moment bezüglich Doping abläuft eigentlich ein Thema?

Soeder: Naja, ich glaube bei den Frauen wird grundsätzlich nicht so offen über solche Sachen geredet. Aber es ist uns natürlich bewusst, dass es da ein Problem gibt. Ich glaube dass es überhaupt im Hochleistungssport ein Problem gibt. Das ist ein gesellschaftliches Problem, das darf man nicht nur auf den Sport beziehen, sondern man muss sich mal umschauen wie viele Leute von Medikamenten abhängig sind, wie viele Leute kokainabhängig sind, wie viele Leute in rauen Mengen Kaffe trinken. Wieso soll das im Sport anders sein. Es gibt da eben immer noch diesen Mythos, das da welche sind die ehrenhaft gegeneinander kämpfen. Aber gerade bei den Männern ist da auch viel Geld im Spiel, da geht’s um was. Wenn man hört, dass der Ullrich 35.000 Euro im Jahr ausgibt – ich wäre froh, wenn ich soviel überhaupt verdienen würde.

derStandard.at: Sind die Leistungsanforderungen zu hoch geworden? Manchmal bekommt man schon den Eindruck, dass das durch Training nicht mehr zu schaffen ist.

Soeder: Rein medizinisch glaube ich, dass der Mensch schon mehr leisten kann als man sich gemeinhin so vorstellt. Bei Rundfahrten denkt man oft, das geht jetzt nicht mehr. Und am nächsten Tag geht es dann doch (lacht). Also, wenn man sehr gut trainiert, dann ist man schon sehr leistungsfähig, dann kann man dem Körper schon einiges abverlangen. Aber irgendwo ist natürlich eine Grenze. Und wenn ich über drei Wochen jeden Tag 200 Kilometer fahren muss, und das einem richtigen Tempo. Das ist schon extrem. Wo diese Grenze dann genau verläuft, ist schwer zu beurteilen, das weiß ich auch nicht so genau.

Andererseits ist es so, dass sich vielleicht viele junge Sportler oder auch Breitensportler denken: Ohne geht es sowieso nicht. Und das ist dann schon traurig. Denn davon bin ich schon überzeugt, dass man mit gutem Training und viel Schlaf viel erreichen lässt. Das hört sich jetzt vielleicht blöd an – aber das ist schon sehr wichtig, dass ich viel schlafe und mich gut ernähre. Viele machen das dann erst gar nicht, sondern sagen: Ich brauche das und das und das.

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derStandard.at: Hat Ihnen das Medizinstudium auch als Sportlerin etwas gebracht?

 

Soeder: Ja, in beide Richtungen. Man kann schon viele Dinge besser verstehen, wenn es zum Beispiel um Infekte geht oder auch das Thema Ernährung. Und ich bin mir sicher, dass ich auch medizinisch profitiere, gerade auch sportmedizinisch. Sportmediziner die nie selbst Leistungssport gemacht haben, haben schon Nachteile. Weil die gar nicht so genau wissen, worauf es ankommt oder was der Sportler in einer bestimmten Situation braucht. Und auch dessen Sicht nicht so gut nachvollziehen können.

derStandard.at: Erstellen Sie Ihre Trainingspläne selbständig?

Soeder: Ich schreibe meinen Trainingsplan selbst. Aber es ist schon so, dass ich Leute habe die das noch einmal kontrollieren. Weil ich bin davon überzeugt, das man mit der Zeit ein bisschen betriebsblind wird. Das macht dann der Sportliche Leiter, der ist auch sehr gut und hat Ahnung vom Training. Und der sagt dann schon: So, jetzt machst du mal das oder: Komm jetzt gehst du mal raus und machst eine Woche nix. Er sieht das ja auch im Rennen, wie es den Leuten geht. Und er macht ja auch die Wettkampfplanung. Jeder Athlet gibt sozusagen seinen Wunschplan ab und versucht das zu koordinieren. Es kommt dann schon vor, dass man ein, zwei Rennen fahren muss, die man nicht so gerne fahren will. Aber er bemüht sich, dass man Rennen die man gerne fahren will auch fahren kann.

Die Wettkämpfe sind im Radsport eben auch ein großer Teil des Trainings, ganz anders als zum Beispiel bei der Leichtathletik wo ich vielleicht zehn Wettkämpfe im Jahr habe die wichtig sind und alles andere besteht aus Training. Im Radsport habe ich viel viel mehr Wettkämpfe, obwohl ich eine Fahrerin bin, die relativ wenig fährt, weil ich von der Leichtathletik komme und das einfach nicht gewöhnt bin. Da ist auch jeder unterschiedlich und das muss der Sportliche Leiter dann erkennen und eingreifen. Da gibt es dann auch Diskussionen, wenn er sagt: Du musst jetzt aber mehr fahren, und man sagt dann: ich kann aber nicht (lacht). Es gibt aber auch Sportlichen Leiter die sich gar nicht einmischen.

derStandard.at: Aber die überwiegende Trainingsarbeit absolvieren Sie allein?

Soeder: Genau. Aber ich habe doch auch ziemlich viele Trainingspartner, weil ich mich dann besser motivieren kann. Trainingsgruppen bilden sich auch schnell, man trifft auch oft welche. Gerade in Wien, weil hier gibt es wirklich viele Radfahrer.

derStandard.at: Es gibt aber Formkontrollen?

Soeder: Da haben wir jetzt damit angefangen. Das machen nicht alle Teams, aber wir haben schon regelmäßige Leistungstests. Weil wir das auch selbst wollen. Obwohl, die besten Leistungsüberprüfungen sind die Wettkämpfe. Da sieht man schon ziemlich genau wie man drauf ist. Bei den Tests muss man auch ein bisschen vorsichtig sein und man kann die Athleten auch nicht miteinander vergleichen. Und der Physiotherapeut macht uns auf Defizite im Kraftbeich aufmerksam. Verletzungsprophylaktisch ist das natürlich sehr günstig und gerade für das Zeitfahren braucht man seinen ganzen Körper, ganz extrem etwa den Rumpf und die Arme. Das ist nicht so, dass man nur aus den Beinen tritt. Da ist es wirklich wichtig, dass du eine sehr gute allgemeine Athletik hast und eben mal in den Kraftraum gehst und spezielle Übungen machst. Die Teams bieten immer mehr solche Pakete an, manche Fahrerinnen nutzen das mehr, manche weniger. Da ich in Wien lebe ist das etwas schwierig, aber wenn es geht versuche ich das schon zu nutzen.

derStandard.at: Kann man das eigentlich noch so sagen, dass Ihre Stärke im Zeitfahren liegt? Denn eigentlich haben Sie mittlerweile ja schon in allen Bereichen gute Leistungen gebracht.

Soeder: Ich habe mich in den letzten Jahren auch auf der Straße entwickelt. Dort geht es natürlich viel mehr um Technik und Taktik. Und wenn man von der Leichtathletik oder vom Duathlon kommt, ist das natürlich erst einmal etwas Neues. Ich muss im Feld fahren können, sprinten, die Rennen auch lesen können. Das gelingt mir mal besser, mal schlechter. Aber ich verliere im Feld immer noch mehr Energie als jemand, der das schon 15 Jahre macht. Jedesmal bremsen etwa kostet Energie – und ich bremse sicher noch mehr als andere (lacht). Aber ich merke, dass ich da besser werde. Bei der Flandernrundfahrt zum Beispiel. Die kommt mir aber auch entgegen, weil sie fast ein bisschen zeitfahr-ähnlich ist. Bei dem vielen Kopfsteinpflaster, ist nicht soviel mit Feld fahren. Da zählt mehr die pure Leistung.

Zeitfahren ist einfach Watt pro Kilo. Und es ist auch nicht so lang, denn als Mittelstrecklerin bin ich eher für kurze Distanzen prädestiniert. Belastungen über mehrere Stunden sind immer noch ungewohnt. Deswegen muss ich auch vermehrt die langen Einheiten trainieren, damit ich mich beim Stoffwechsel umstelle. Das ist immer noch ein großes Defizit, andererseits gibt es in diesem Bereich noch ein großes Potential.

derStandard.at: Eine solche Umstellung dauert dann wirklich jahrelang?

Soeder: Ja. Deswegen sind Radfahrer auch oft schon älter. Ich werde also wahrscheinlich erst jetzt gut, weil es einfach ein paar Jahre dauert bis man die Stoffwechselvorgänge optimiert hat. Im Wintertraining in Australien trainiere ich fast nur die langen Einheiten über sechs, sieben Stunden. Wir fangen mit einem 22er-Schnitt an – da könnte jede zweite Hausfrau mitfahren. Und dann baut man auch viele Kriterien ein, mit hoher Belastung aber auch viel Technik. Kriterien sind genau das, was ich immer am schlechtsten gekonnt habe, was ich gehasst habe. Aber das muss man einfach üben. Das kann man gut ins Training einbauen. Da fahren wir vielleicht eine Stunde hin, dann das Kriterium und nachher noch zwei Stunden ausfahren. Dann Mittagspause und am Abend noch einmal. Wir machen aber auch viele Pausen. Das ist ganz wichtig. Zwei Pausentage pro Woche, das ist extrem viel. Trotzdem kommen wir auf 800 Kilometer.

derStandard.at: Inwiefern kann man etwa Bergfahren wirklich noch antrainieren, wie viel ist physiologisch schon vorgegeben?

Soeder: Grundsätzlich gibt es Sportler die eher schnellkräftig sind, adere sind ausdauernder. Umgelegt auf den Radsport also den Sprinter und den Bergfahrer. Wobei Bergfahrer auch oft gute Zeitfahrer sind, das kommt dann auch auf die Körpergröße an. Denn für das Zeitfahren ist es wegen der Hebel günstiger wenn man etwas größer ist. Damit ist man dann aber auch schon ein bisschen schwerer und eventuell etwas schlechter am Berg. Wenn ich also zum Beispiel die Tour gewinnen will, muss ich beides können. Ich darf also einerseits nicht zu schwer sein, wenn ich aber etwa so klein bin wie Bettini – die können dann schon wieder viel schlechter zeitfahren. Und auch die ganz ganz Dünnen wie Rasmussen: Die haben eine zu geringe Maximalwattleistung. Was Watt pro Kilogramm betrifft, ist er aber natürlich schon sehr gut. Das ist ein ganz einfaches Rechenexempel.

Beim Zeitfahren kommt noch das Material dazu und der allgemeine Körperaufbau. Als ehemalige Leichtathletin (Fünfkampf/Mittelstrecke) habe ich den Vorteil, schon eine gute Ganzkörperausbildung mitzubringen. Armstrong kommt etwa aus dem Triathlon-Bereich, der hatte auch durch das Schwimmen schon einen athletischeren Oberkörper. Aber das haben nun schon viele im Frauen- wie im Männerradsport erkannt, dass es gut ist, den ganzen Körper zu trainieren und nicht nur auf dem Rad zu sitzen.

derStandard.at: Welchen Ausgleichssport betreiben Sie?

Soeder: Was ich gerne tue ist bergwandern (lacht). Ich habe eine leichte Hüftdysplasie und darf deshalb nicht mehr so viel laufen. Auch im Fitness-Studio mache ich einiges, während der Saison aber natürlich deutlich weniger. Sonst gehe ich extrem gerne langlaufen. Wenn ich in Süddeutschland aufgewachsen wäre, wäre ich Langläuferin geworden (lacht). Technisch bin ich nicht die Beste, aber es macht trotzdem Spass. Von der muskulären Belastung ist es auch ähnlich wie der Radsport.

derStandard.at: Die Verletzung war auch der Grund für den Wechsel auf das Rad?

Soeder: Es gab mehrere Gründe. Es war mein Kindheitstraum, einmal an Olympischen Spielen teilzunehmen. Und dann stellte sich die Frage: Wie?. Duathlon ist nicht olympisch. Beim Triathlon hätte ich wieder viel laufen müssen - und mein Schwimmen ist eine absolute Katastrophe (lacht). Dann habe ich aber schon gemerkt, dass mir das Radfahren viel Spass macht. Denn in dem Jahr in dem ich im Krankenhaus gearbeitet habe, bin ich immer mit dem Rad dahin gefahren – und dann hat sich das so entwickelt. Die ersten Wettkämpfe waren gleich ganz gut und im nächsten Jahr war ich dann schon bei der WM. Das ging also irgendwie schnell.

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derStandard.at: Warum sind Sie nach Österreich gegangen?

Soeder: Ich lebte zu der Zeit schon in Wien und habe dann Kontakt zum Bundestrainer aufgenommen. Und der war gleich ganz begeistert, als ich gesagt habe, vielleicht für Österreich zu starten. Und innerhalb von einem halben Jahr hatte ich dann die Staatsbürgerschaft. Und für den österreischen Verband zu fahren ist auch angenehm. Ich habe wenig Verpflichtunen und kann mich in Ruhe vorbereiten. In Deutschland ist das ganz anders, weil da immer 30 Leute starten wollen.

derStandard.at: Wie schätzen Sie die Frauenszene in Österreich ein?

Soeder: In den letzen Jahren tut sich da schon ein bisschen was! Andrea Graus ist ja noch ziemlich gut und Daniela Pintarelli ist in diesem Jahr extrem stark geworden. Die hat einen Riesensprung gemacht. Sie war auch mit in Australien weil wir eine Kooperation zwischen Univega und Graz haben. Das liegt mir auch ein bisschen am Herzen, dass sich die Fahrerinnen auf diese Weise weiterentwickeln können. Dann haben wir noch Monika Schachl, die kommt vom Mountainbike und ist auch sehr stark in diesem Jahr. Es gibt also vier Fahrerinnen die auf der Straße international konkurrenzfähig sind. Und ich hoffe auch dass Isabella Wieser noch in Schuss kommt, denn wir bräuchten noch eine starke Sprinterin.

derStandard.at: Tut der österreichische Verband etwas für den Frauenradsport?

Soeder: Recht wenig. Das gilt aber ganz generell. Ich glaube, sie haben einfach auch wenig Geld. Die Deutschen haben schon mehr finanzielle Mittel und wenigestens einen eigenen Bundestrainer für die Frauen. Da kann für den Nachwuchs natürlich viel mehr gemacht werden. Das deutsche Nationalteam besteht fast immer aus Nachwuchsfahrerinnen, die sich so den Profiteams gut präsentieren. Der Verband bietet also den Athletinnen eine Plattform um in den Profisport einsteigen zu können. Bei uns ist es eher Zufall, wenn man ein paar gute Fahrerinnen hat. Es gibt einige Wenige, die sind sehr bemüht auch ohne Geld etwas zu bewegen. Aber es fehlt einfach an den Strukturen. Der Weg zu Profiteams ist so sehr schwierig und es kommen nur wenige an. Bei den Männern ist es ein bisschen besser, da tun sie etwas mehr für die U23.

derStandard.at: Wie steht es um die Verdienstmöglichkeiten?

Soeder: Zur Zeit kann ich davon leben. In Österreich gibt es die Sporthilfe und Topsport, zwei Institutionen die wirklich gut sind und wo man auch nicht schlecht verdient. Und jüngere Sportler können auch zum Bundesheer gehen. Aber es ist nicht so wie bei den Männern, die wirklich viel verdienen.

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derStandard.at: Entwickelt sich der Frauen-Weltcup diesbezüglich weiter?

Soeder: Es wird auf jeden Fall besser. Ich hoffe eben, dass die negativen Schagzeilen von den Männern nicht zu uns herüberschwappen. Weil das wird automatisch in eine Schublade gepackt. Wir haben ein Problem, und das ist die Medienpräsenz. Sobald die Weltcuprennen im Fernsehen übertragen werden, haben wir es geschafft. Bisher war die Argumentation immer, es ist nicht professionell genug. Aber seit zwei Jahren kann man dieses Argument sicher nicht mehr bringen. Es ist so professionell, dass man es sicher zeigen kann. Und die Rennen sind auch spannend. Im Regionalfernsehen wird ja schon übertragen. Die Thüringen-Rundfahrt war komplett übertragen und auch in Skandinavien ist das so. Eurosport verspricht jedes Jahr, mehr zu bringen. Das ist ja auch die Hauptsache für die Sponsoren.

derStandard.at: Hilft es, dass es nun auch große Namen wie Flandernrundfahrt und Tour de France im Frauen-Kalender gibt?

Soeder: Ich glaube schon. Da versucht man ja, dass man immerhin die Siegerehrungen zusammenpackt. Dass wir da auch gezeigt werden, oder dass unser Zieleinlauf gezeigt wird. Weil wir sind dann ja schon vor Ort. Die Rennen laufen ja parallel, wir starten nur etwas früher. In Flandern fahren wir die exakt gleiche Strecke wie die Männer, sie ist nur kürzer. Das könnte man also sehr gut kombinieren.

derStandard.at: Sogar in Flandern wurde das Resultat der Frauen-Runde nur mit einem Satz erwähnt...

Soeder: Ich weiß auch nicht, wieso das so ist. Eigentlich ist es unerklärlich. In der Leichtathletik sind ja Frauen auch völlig gleichgestellt. Und der Unterschied zwischen Frauen- und Männerleichtathletik ist ja sicher nicht kleiner als der bei Frauen und im Radsport. Aber Rad war eben immer eine Männerdomäne. Und wenn sich das auch historisch so etabliert hat, ist es ganz schwierig das aus den Köpfen herauszubringen.

derStandard.at: Hat das vielleicht auch mit der Aura des Heldenhaften zu tun, die im Radsport immer sehr stark mitschwingt?

Soeder: Dieses Harte...das habe ich mir auch schon gedacht. Aber jeder Hochleistungssport in der Spitze ist extrem hart.

derStandard.at: Aber so wie der Radsport auch medial vermittelt wird, da sieht man eben leidende Männer den Berg hinauffahren...

Soeder: Ich glaube auch das am Anfang bei den Frauen das Niveau noch nicht so hoch war. Und wenn man sich dann einmal davon abgekehrt hat, dann ist es natürlich unheimlich schwierig wieder zurück zu kommen. Dass man nie den richtigen Einstieg gefunden hat. Es gibt sicher verschiedenste Erklärungsansätze, aber ich bin überzeugt dass es besser wird.

derStandard.at: Sind Frauen im Funktionärsbereich vertreten?

Soeder: In Deutschland schon. Sylvia Schenk war dort aber auch nur zwei Jahre Präsidentin, obwohl sie jetzt irgendetwas bei der UCI macht. Aber es sind ganz wenige. Obwohl im Breitensport immer mehr Frauen radfahren, weil es auch für Frauen ein idealer Sport ist.

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derStandard.at: Wie ist die Saison bisher gelaufen?

Soeder: Sehr gut. Ich habe zwar sehr wenige Wettkämpfe gemacht, weil ich einmal wirklich krank war. Ich bin meistens einmal im Jahr krank, man ist ja als Leistungssportler immer relativ angeknockt. Aber ansonsten bin ich super durchgekommen, war immer gesund. Ich habe das Gefühl, dass ich von Jahr zu Jahr immer ein bisschen näher an die Weltspitze herankomme. Bei der Thürigen-Rundfahrt bin ich mit Platz sechs zufrieden. Ich hätte es vielleicht unter die besten Vier schaffen können, musste dann aber für Nicole Cook arbeiten.

derStandard.at: Zurückstecken, obwohl es besser gegangen wäre. Wie geht es Ihnen dabei?

Soeder: In dem Fall gut. Man freut sich einfach für den anderen mit, wenn er gut fährt. Wenn du das nicht tust, dann kannst du mit dem Radsport gleich aufhören. Außerdem war ich mit meiner Leistung zufrieden, weil ich das Zeitfahren gewonnen habe. Und wenn ich dann merke, dass eine andere das Rennen gewinnen kann – und das merkt man sehr schnell – dann ist es selbstverständlich, dass man für sie fährt. Da braucht auch keiner etwas zu sagen, weil das klar ist. Und wenn ich auf einer Etappe 20. oder 30. werde, das ist mir dann egal. Denn ich weiß ja, was ich für diejenige gemacht habe. Und das ist das Entscheidende.

derStandard.at: Es gab also, obwohl Sie aus einer Individualsportart kommen keine Anpassungsprobleme?

Soeder: Eigentlich nicht. Mir fällt es oft viel schwerer immer mit der Mannschaft unterwegs zu sein und dieses individuelle nicht zu haben, wenn es heißt es müssen alle das und das machen. Gerade auf Trainingslager denkt man sich schon: Jetzt will ich mal raus hier und was eigenes machen (lacht).

derStandard.at: Gibt es für heuer ein spezielles Ziel? Die Weltmeisterschaft in Salzburg?

Soeder: Genau. WM. In gewisser Weise war der ganze Weltcup für mich eigentlich Vorbereitung. Obwohl man natürlich bei den Rennen gut fahren und sich zeigen will. Aber das ist ja auch kein Widerspruch.

derStandard.at: Werden Sie im Straßenrennen und im Zeitfahren antreten?
Soeder: Ja.

derStandard.at: Was nehmen Sie sich vor?

Soeder: Ziel ist ganz klar eine Medaille, die schon im letzten Jahr mein Ziel war (lacht). Aber heuer ist es wirklich sehr realistisch. Ich fühle mich gut und hoffe das Beste.

derStandard.at: Im Zeitfahren sind die Chancen am besten?

Soeder: Auf jeden Fall. Darauf bereite ich mich auch vor. Das Straßenrennen nehme ich mehr mit, da kann so viel passieren. Obwohl mir die Strecke liegt. Und man braucht auch eine gute Mannschaft. Wie gesagt, wir haben vielleicht die beste Mannschaft die wir jemals hatten. Trotzdem werden andere Nationen stärker sein. Da muss man abwarten.

derStandard.at: Wie lange wollen Sie noch weitermachen?

Soeder: Das weiß ich noch nicht. Eigentlich wollte ich ja schon nach Athen aufhören, aber dann dachte ich: jetzt noch die WM in Österreich. Und jetzt sind es nur noch zwei Jahre bis zu den nächsten Olympischen Spielen. Solange man es gerne macht und es aufwärts geht, macht man eben weiter. Der letzte Stand ist, dass ich mich nach der WM entscheiden werde (lacht).

derStandard.at: Tendenzen absehbar?

Soeder: Ich weiß es wirklich noch nicht, weil ich mich jetzt auch nicht so sehr damit beschäftigen will. Ich lasse es auf mich zukommen.

derStandard.at: Was ist für Sie das Schönste am Radsport, wenn man das überhaupt so sagen kann?

Soeder: Ich finde radfahren an sich faszinierend. Auch das Training. Ich bin ein Mensch der gerne in der Natur ist und gerne viel sieht. Wenn ich dann in einem fremden Land bin, habe ich auf dem Rad in einer Woche ein Gebiet erschlossen wofür man ansonsten stundenlang im Auto sitzen müsste. Für mich ist es ein idealer Sport

derStandard.at: Eine Rundfahrt ist also auch gleich eine Besichtigungstour?

Soeder: Naja, da ist schon ein Unterschied zwischen Training und Wettkampf – und ich bin eine, die auch Wettkämpfe braucht. Im Training kannst du das genießen, auch die Natur. Wettkampf ist eben Wettkampf. Wobei das nicht heißt, dass man nicht auch hier etwas von der Umgebung mitbekommt. In Schweden zum Beispiel, das habe ich sehr genossen. Da waren wir vier Tage vor dem Rennen dort, da hat man auch viel gesehen von dem Land. Während des Rennens geht das natürlich nicht so gut (lacht).

Und auch diese Vielseitigkeit finde ich gut. Im Unterschied zu anderen Sportarten hat der Radsport unheimlich viele Facetten und auch sehr viele verschiedene Charaktere. Das finde ich auch spannend, mit so vielen unterschiedlichen Menschen zu tun zu haben. In der Leichtathletik sind alle viel, viel ähnlicher. Auch in unserem Team haben wir so viele Typen. Normalerweise würde man sich vielleicht gar nicht mit solchen Menschen auseinandersetzen, aber das tut man natürlich dann. Denn irgendwie haben doch alle das gleiche Ziel. Und das ist interessant.