Die Dienstpistole, eine Glock, trägt Andrea Milak sonst unterm Jackett. Unbequemer sind abendkleidpflichtige Einsätze, da muss das Theatertäschchen herhalten.

Foto: STANDARD / Regine Hendrich
Wer sich auf Krimis und einschlägige Fernsehserien verlässt, könnte meinen, dass Frauen die Polizeiarbeit in weiten Teilen übernommen haben. Die Vielzahl weiblicher Fiction-Kommissarinnen versperrt jedoch den Blick auf den Alltag von Frauen bei der Polizei - etwa auf den von Bezirksinspektorin Andrea Milak in den Wiener Südbezirken.

Wien - Der Schichtdienst ist ihr "im Grunde am liebsten". Als ihre Tochter noch kleiner gewesen sei, "waren immer ich oder mein Mann beim Kind", weil sie abwechselnd im Journal und auf Streife arbeitete.

Was sie in ihrem Job am meisten stört: die "oft sehr negative Einstellung der Bürger zur Polizei" - und "dass bei uns im Revier die Arbeit zu 80 Prozent aus Büro- und Schreibsachen besteht". Womit der zum Großteil aus Ausforschen und Einsperren bestehende Polizeialltag einer zunehmenden Zahl von Krimi-Kommissarinnen eindeutig dem Reich der Erfindung angehört (Artikel unten)

So weit Andrea Milak, 43 Jahre alt, Bezirksinspektorin im Wiener KK-Süd für die Bezirke 10, 11, 12, 13 und 23, Referat Gewalt und Raub - und mit einem Polizisten verheiratet. Darüber hinaus blond und mindestens so präsentabel wie manche Fernsehkommissarin, was dazu beigetragen haben dürfte, dass sie schon öfter für Berichte über "Frauen bei der Polizei" als Kontaktperson fungiert hat.>

"Allzu viele sind wir ja immer noch nicht"

Außerdem: "Allzu viele sind wir ja immer noch nicht", weiß Milak, die in Wien auch stellvertretende Polizei-Gleichbehandlungsbeauftragte ist. Konkret fallen ihr derzeit "rund 70 Kolleginnen in der Bundeshauptstadt ein, die so wie ich nicht in Uniform, sondern in Zivil arbeiten". Doch der immer noch niedrige Frauenanteil unter Kriminalbeamten (und bei der Exekutive überhaupt) solle niemanden wundern: Erst vor 15 Jahren, 1991, habe es in Österreich die erste Kursausschreibung für weibliche Kriminalbeamtinnen gegeben.

Auch Milak selbst, einst ohne viel Begeisterung Bürokauffrau, kam über einen Umweg zur ermittelnden Truppe: als Quereinsteigerin, nachdem sie drei Jahre lang am Wiener Aiport als Politesse Dienst getan hatte. "Ich wollte immer schon Kriminalbeamtin werden und war bereit, dafür nicht 100 Prozent, sondern 130 Prozent zu leisten". Den einjährigen Kurs mit Dienstprüfung, um zur uniformierten Einsatzbeamtin aufzusteigen, schaffte sie als eine der ersten Frauen - und das, obwohl Tochter Tina, heute 15, damals noch in den Babyschuhen steckte: "Meine Mutter und Schwiegermutter haben mir sehr geholfen".

Ernst genommen

Es folgten Jahre im Referat für Unmündige und weibliche Jugendliche in Wien-Favoriten, wo Milak auch für Frauen als Opfer von Sexualdelikten zuständig war - bis sich der Wienerin vor eineinhalb Jahren die Chance bot, ihr eigentliches Berufsziel als zivile Einsatzbeamtin (Zeb) zu erreichen. Mit ihren fünf Referatskollegen - allesamt Männer - komme sie gut aus: "Bei uns gibt es keine blöden Witze. Ich fühle mich ernst genommen".

Ob in Uniform oder in Zivil, anders als im Krimi würden weibliche Polizisten bei Amtshandlungen immer noch auf Erstaunen stoßen, sagt die Kriminalbeamtin mit dem präzisen Beobachterblick. Von der Wirtshausrauferei über den gewalttätigen Übergriff in der Familie bis hin zum Mordverdacht: Auf die weiteren Entwicklungen am Tatort könne diese Reaktion positiven wie negativen Einfluss haben.

Entwaffnend weiblich

Positiven etwa, wenn in einem Beisl, in dem die Messer blitzen, das weibliche Sicherheitsorgan wie ein entwaffnendes Ahaerlebnis wirke: "Und du bist wirklich ein Kieberer?" Weniger guten, "wenn ein Mann den Umstand, dass er von einer Frau vernommen wird, als Demütigung betrachtet". Bei Einwanderern mit religiös-konservativem Hintergrund komme das "immer wieder vor".

So etwas gehöre eindeutig zu den mühevollen Seiten ihres Berufs, meint Milak. Aber psychische Belastungen haben der Kriminalbeamtin bisher ebenso wenig die Freude am Beruf geraubt wie die manchmal ausufernden Arbeitszeiten. Was sie stutzig macht, sind die weiblichen Zukunftsperspektiven: "Im Kriminaldienst gibt es bisher nur eine leitende Beamtin". (Irene Brickner; DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16.8.2006)