Suppengrün binden, wo die Petersil-Aussaat erfunden wurde: Silvia Elnrieder mit Mutter in der neuen Fertigungshalle im Süden Wiens

Foto: STANDARD/ Christian Fischer

Wien - In dem Raum neben der großen neuen Halle sitzen sie an zwei Tischen. Vor ihnen grüne, orangegelbe und weiße Berge, in die sie hineinfassen, sortieren, mit Gummiringerln zusammenbinden. Karotten, gelbe Rüben, Petersilie, Porree und Zeller werden zu Suppengrün gebunden. Von Großmutter, Mutter, Tochter und zwei Arbeiterinnen. Und an Samstagen helfen hier alle Kinder mit im Familienbetrieb.

Von hier aus ging's in die WeltP>

"Wir haben immer schon Suppengemüse gemacht. Das ist traditionell von der Großmutter her", erläutert Silvia Elnrieder. Das ist Tradition bei den Elnrieders - und Tradition in Oberlaa und Unterlaa. Denn hier wurde es eigentlich erfunden, das gebundene Suppengrün. Nicht nur: "Hier bei uns wurde der Petersil zum ersten Mal gesät", berichtet sie. "Von hier aus ging's dann erst nach Holland und in die Welt", mit der Petersilie. "Das steht immer noch so im Saatkataster."

Markt

Frau Silvia Elnrieder ist von Klein auf in diese Tradition hineingewachsen. Früher, da sind sie noch auf den Markt auf der Freyung gefahren, dann zum Naschmarkt. "Mit fünf bin i zum ersten Mal mit zum Markt", erinnert sie sich. "Da hat einer gsagt: Zeig mir deine Händ - Na. Die sind no viel zu klein, des wird no nix."

Grünzeugbinder

130 Grünzeugbinder habe es früher hier in Oberlaa gegeben, "eigentlich in jedem Haus". "Damals is net bunden worden. Damals war des offene War", wirft die Großmutter ein einziges Mal korrigierend ein. Manche hatten früher ein Ross gehabt, da konnten die andern mitfahren. "So hat das funktioniert." Oder auch nicht: "A Nachbarin is einmal eingschlafen, und die Ross haben den Weg eh schon selber kennt. Aber dann habens umdraht. Und wie s' aufgwacht is, hat s' glaubt, sie is am Markt - dabei is daheim vorm Tor gstanden."

Pastinaken für die moderne Küche

Dieses Suppengrün ist immer noch eine Wiener Spezialität. Ob es Konkurrenz aus dem Ausland gebe? "Nein", weiß Frau Elnrieder bestimmt. Und die EU? "Meine Preise sind gleich geblieben. Wir punkten halt mit frischer War." Und die wird jetzt in der Saison eigentlich täglich vom Feld geholt - nur der Zeller nicht, den machen sie nicht selbst, "den muss ma bewässern." Nur leichte Anpassungen gibt es hin und wieder. Derzeit wird auch etwas "für die moderne Küche", angeboten: Pastinaken.

Gartenbau-Ingenieur im zweiten Bildungsweg

Frau Elnrieder hatte eigentlich die Ausbildung als Volksschullehrerin gemacht, erst im zweiten Bildungsweg den Gartenbau-Ingenieur. Als sie einen Bauern aus Lanzendorf heiratete, entschloss sie sich, den Familienbetrieb zu übernehmen. "An und für sich war das net klar. Erst durch die Heiraterei is mir nix anderes übrig blieben."

In der nächsten Generation ist das einfacher: Ein Sohn hat eine Landwirtschaft; neueste Errungenschaft ist ein großer Mähdrescher. Und wird etwas kaputt, repariert das der jüngste Sohn - er lernt auch Mechatronik an der HTL - und bei einem benachbarten Schlosser das Schweißen.

Felder und Umfahrungsstraße

Probleme gibt's trotzdem genug. Eines ist schon wieder Geschichte - die große Wiener Umfahrungsstraße S1. Da hatten die Oberlaaer beim Verhandeln recht gut zusammengehalten. Trotzdem müssen sie weiterfahren, um auf ihre Felder zu kommen.

Stadion für die Austria soll durch den Acker

"Und jetzt diese Sache mit dem Stadion", jenes für die Austria in Rothneusiedl - "da sind wir auch wieder betroffen". Ein Grundstück hat Frau Elnrieder, das geht mitten durch - da beißen sich die Makler die Zähne aus. "Das letzte Mal hat einer gsagt: Sie machen mir viel Arbeit", lächelt die Grünzeugproduzentin. "Hab ich gsagt: Warum? Ich brauch Sie ja nicht. Sie sind ja zu mir kommen."

Nähe zum Großmarkt

Weggehen wird Elnrieder auf keinen Fall. Dafür hat der Standort einen zu großen Vorteil: die Nähe zum Großgrünmarkt. "Das denk ich mir jedes Mal, wenn ich meinen Nachbarn dort seh - der täglich mit seinen Äpfeln vier Stunden aus der Steiermark anfahrt."

Errungenschaft: Fotovoltaikanlage Und außerdem hat Frau Elnrieder gerade erst ordentlich investiert - nicht nur in die neue Produktionshalle mit Kühlhaus, eine gewaltige Erleichterung, denn früher musste bei Wind und Wetter im Innenhof des Hauses an der Klederinger Straße gearbeitet werden. Die jüngste Errungenschaft findet sich vielmehr am Dach der neuen Halle: eine mächtige Fotovoltaikanlage, die Energie für das Kühlen liefern soll. Mit den Überschüssen sollten die Energiekosten in Summe auf null gehen. (Roman David-Freihsl, DER STANDARD Printausgabe 17.8.2006)