Der österreichische Beitrag der diesjährigen Architekturbiennale in Venedig trägt den von Kommissär Wolf Prix ausgerufenen Titel "Stadt = Form, Raum, Netz" und setzt sich, wie berichtet, aus mehreren Beiträgen zusammen. Vergangene Woche befassten wir uns mit Friedrich Kieslers Raum-Denken. Dieses Mal stellen wir Hans Holleins Form-Visionen vor, die, so die Biennale-Organisatoren, "die fragilen Strukturen Kieslers in massive, erdnahe Stadtknoten verwandelt", also eine Weiterentwicklung der Kieslerschen Raumwelten in konkrete, mit Funktionen aufmunitionierte Formwelten bedeutet.

In einem der beiden Haupträume des seinerzeit von Josef Hoffmann gebauten Österreich-Pavillons - der im Übrigen für heutige Ausstellungskonzeptionen deutlich überaltert und auch dank peniblem Denkmalschutz nicht mehr tauglich erscheint - wird der international wohl bekannteste Architekt dieses kleinen Landes als wichtigstes Artefakt ein großformatiges Modell seines "Flugzeugträgers" aus dem Jahr 1964 zeigen.

Holleins Super-Schiff aus den wilden 60ern symbolisiert nach wie vor einen architektonischen Aufbruch in ein neues Zeitalter, der erst einmal in den Köpfen stattfinden muss, um später modifiziert und konkretisiert in eine neue Realität umgesetzt werden zu können.

Der Biennale Folder erklärt: "Seine Verwendung eines Schiffes als Modell für die räumliche Komplexität und Ökonomie der Stadt erinnert an Le Corbusier, der 1923 in der Ästhetik des Ozeandampfers die Befreiung von überholten Bildern in der Architektur feierte." Und: "Die Verpflanzung eines Flugzeugträgers auf die grüne Wiese setzt diesen Realismus fort und gibt darüber hinaus einen im Sinne der Pop Art auch ironischen Kommentar zur Beziehung von Stadt und Natur. In der Verdichtung der Stadt auf ein mobiles Objekt findet Hollein den Ausdruck ihrer Energie."

In einer mit dem Künstler Walter Pichler gemeinsam bestrittenen Ausstellung 1963 schrieb Hollein im Manifest, Architektur sei "elementar, sinnlich, primitiv, schrecklich, gewaltig, herrschend." Und: "Architektur ist eine Angelegenheit der Eliten." Keine Frage, die Architektur ist meist die Folgeerscheinung von Macht - jedoch welche Rolle die vermeintlichen Eliten heute spielen bzw. spielen könn(t)en, bliebe zu überprüfen. (uwo/ALBUM/ DER STANDARD, Printausgabe, 19./20.8.2006)