Wolfgang Schüssel schweigt und lässt über seine Sprecherin ausrichten, dass seine Schwägerin die illegale Pflegerin organisiert habe.

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Wien – Bundeskanzler Wolfgang Schüssel will zu dem Pflegefall seiner verstorbenen Schwiegermutter selbst nichts sagen, sondern lässt seine Sprecherin Heidi Glück antworten. Wie der Autor und Journalist Hans Weiss in einem Leserbrief an den Standard darlegte, habe Schüssel für seine Schwiegermutter über den Verein St. Elisabeth eine "illegale" slowakische Pflegerin besorgt und gegen geringe Bezahlung beschäftigt. Glück betont, dass sich nicht der Kanzler selbst, sondern seine Schwägerin an den Verein gewandt habe. Dieser will nach eigener Aussage "Pflege leistbar machen", indem er Pflegerinnen aus Osteuropa vermittelt, die in Österreich keine Beschäftigungsbewilligung haben. Man agiere also im "Graubereich" der illegalen Pflegekräfte, wie der Vereinsobmann Harald Drescher in Zeitungsinterviews zugab.

Genau deshalb habe Schüssel schweren Aufklärungsbedarf, meint die Opposition. SP-Bundesgeschäftsführerin Doris Bures findet es "erstaunlich, wie jemand, der in der eigenen Familie auf Pflege durch illegale Beschäftigte zurückgreift, den Österreichern erklären kann, dass es keinen Pflegenotstand gibt. Das ist wirklich beachtlich." Zugleich gebe es immer mehr Anzeigen gegen illegal Beschäftigte im Pflegebereich, sagt Bures: "Der kleine Bürger wird also verfolgt und mit hohen Strafen bedroht, und die Regierung schaut zu." Versprochen habe Schüssel zu Beginn seiner Regierung, mindestens 30.000 neue Arbeitsplätze im Pflegebereich zu sichern: "Das Einzige, was gesichert wurde, war – über eine dubiose Konstruktion – die Pflege seiner Schwiegermutter. Und jetzt, sieben Wochen vor der Wahl, hat er eine Arbeitsgruppe einrichten lassen. Das ist ein bisschen wenig."

Den Vorwurf der ÖVP, die SPÖ habe eine Wahlkampfintrige gegen Schüssel inszeniert, weisen sowohl Bures als auch Weiss zurück. Weiss, der mit Büchern wie "Bittere Pillen – Nutzen und Risken von Arzneimitteln" oder "Gesunde Geschäfte – Die Praktiken der Pharmaindustrie" internationale Bestseller verfasst hat, sagte dem Standard dazu: "Mir ist die Geschichte zugefallen, weil ich viele Leute in dem Bereich kenne und ein offenes Ohr habe. Mein Geld verdiene ich im Ausland, ich bin hier niemandem Rechenschaft schuldig und lasse mich ganz sicher von niemandem benützen. Wenn die SPÖ an der Macht wäre und es Leute gäbe, deren Handeln mich stört, würde ich denen genauso an den Karren fahren." Ihn habe an dieser Geschichte "die Doppelmoral und dieses Schlawinertum" geärgert: "Es gibt zwar Gesetze, die so etwas verbieten, aber es macht trotzdem jeder – die Herrschenden natürlich genauso. Das ist so klassisch österreichisch."

Der grüne Sozialsprecher Karl Öllinger warf Schüssel vor, mit seinem Verhalten "vollends unglaubwürdig" geworden zu sein. Der stellvertretende FPÖ-Chef Norbert Hofer bezeichnete es als "schäbig", wenn der Bundeskanzler als "einer der Spitzenverdiener in diesem Land für seine Schwiegermutter keine legale Pflege gesichert" habe. (Samo Kobenter, DER STANDARD, Print, 21.8.2006)